Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildung zur Physiotherapeutin, Fachoberschulbesuch und Studiengang „Bachelor of Science Physiotherapie” als kindergeldrechtlich „erstmalige Berufsausbildung”. keine kindergeldrechtliche Berufsausbildung bei zeitlich nur geringem Umfang eines Studiengangs von fünf Semesterwochenstunden
Leitsatz (redaktionell)
1. Es kann eine einheitliche „erstmalige Berufsausbildung” i. S. v. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG 2012 vorliegen, wenn die volljährige Tochter nach dem Realschulabschluss vorhat, den Studiengang „Bachelor of Science Physiotherapie” aufzunehmen, und dazu zunächst eine dreijährige Ausbildung zur Physiotherapeutin absolviert, im unmittelbaren Anschluss daran nach einem einjährigen Fachhochschulbesuch die für die Aufnahme des Studiums erforderliche Fachhochschulreife erlangt und anschließend sofort den Studiengang „Bachelor of Science Physiotherapie” „Physiotherapie mit dem Profil Präventions- und Rehabilitationssport –dual–” mit einer Regelstudienzeit von 9 Semestern) aufnimmt.
2. Sieht der duale Studiengang „Bachelor of Science Physiotherapie” aber in den ersten sechs Semestern unter der Woche die Durchführung einer externen Ausbildung an einer staatlich anerkannten Fachschule zum Physiotherapeuten vor, findet deswegen ein Studium an der Hochschule in dieser Zeit nur in Wochenendblöcken in einem auf das Semester hochgerechneten zeitlichen Umfang von lediglich fünf Semesterwochenstunden statt, kann die Tochter, weil ihre bereits abgeschlossene Ausbildung voll auf das Studium angerechnet wird, während der ersten sechs Semester unter der Woche frei und unabhängig über ihre Zeit verfügen und arbeitet sie wöchentlich 20 bis 30 Stunden in einer privaten Krankengymnastikpraxis, so befindet sich die Tochter angesichts des nur geringen zeitlichen Aufwands für das Studium in den ersten sechs Semestern kindergeldrechtlich nicht in Berufsausbildung.
Normenkette
EStG 2012 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, S. 2
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Kindergeld im Rahmen einer mehraktigen Ausbildung der Tochter B., geboren am XX.XX.1990, für die Zeit von Juni 2013 bis September 2014.
I.
Die Ausbildung im Bereich Physiotherapie erfuhr in den letzten Jahren eine Akademisierung.
1. Die seinerzeitige Hochschule Lausitz (damals Fachhochschule mit Standorten in Senftenberg und Cottbus, inzwischen fusioniert zur Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg) führte ab Wintersemester 2010/11 einen neu strukturierten Studiengang „Bachelor of Science Physiotherapie” ein. Der Fachbereichsrat beschloss am 12.05.2011 (veröffentlicht 20.07.2011, FG-A Bl. 49) die Studien- und Prüfungsordnung für den Bachelor-Studiengang „Physiotherapie mit dem Profil Präventions- und Rehabilitationssport (dual)”. Daraus ergibt sich u. a. eine Regelstudienzeit von 9 Semestern. In den ersten 6 Semestern (3 Jahren) besteht eine „duale Phase” (vgl. FG-A Bl. 59) mit einer (externen) Ausbildung an einer staatlich anerkannten Berufsfachschule für Physiotherapie mit theoretischem und praktischem Unterricht zum staatlich anerkannten Physiotherapeuten gemäß dem Gesetz über Berufe in der Physiotherapie. Parallel wird an der Hochschule in jedem Semester ein Basismodul im Umfang von 5 Semesterwochenstunden unterrichtet. Dieser akademische Unterricht findet – mit Rücksicht auf die unter der Woche erfolgende externe Ausbildung – nur in Blöcken ausschließlich am Wochenende statt, wobei als Wochenende der Zeitraum von Freitag ab 15 Uhr bis Sonntag 18 Uhr zählt. Je nach Art der Lehrveranstaltung finden pro Semester 3 bis 5 dieser Wochenenden statt, die jedoch nicht immer voll genutzt werden; je nach den zeitlichen Möglichkeiten der Lehrkräfte kann die Lehre z. B. auch nur freitags und samstags oder auch nur samstags erfolgen (FG-A Bl. 72). Am Ende des 6. Semesters erwerben die Studierenden extern den Abschluss als staatlich anerkannter Physiotherapeut. Vom 7. bis 9. Semester findet eine „Präsenzphase” von 1 ½ Jahren statt. Im 7. und 8. Semester sind jeweils sechs Module zu absolvieren, im 9. drei Module sowie die Bachelorarbeit. Darauf wird der akademische Grad eines „B. Sc. Physiotherapie” verliehen.
2. Studierende, die bereits vor Aufnahme dieses Studiengangs die Ausbildung als Physiotherapeut(in) erfolgreich abgeschlossen haben, erhalten diese angerechnet. Sie haben daher in den ersten sechs Semestern nur jeweils ein Modul (fünf Semesterwochenstunden ausschließlich in Wochenendblöcken nebst Vor- und Nachbereitung im Eigenstudium) zu belegen; im Übrigen haben sie frei. Nach der Erfahrung des Studiendekans nutzen derartig Studierende die Zeit, um als Physiotherapeut(in) zu praktizieren bzw. zu arbeiten (FG-A Bl. 73). Der Studiengang ist in den ersten sechs Semestern nach seiner Konzeption ein dualer und kein berufsbegleitender, wurde jedoch für d...