Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermäßigter Steuersatz nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG für Leistungen der externen betrieblichen Altersversorgung bei vorzeitiger Kündigung auf Veranlassung des Arbeitnehmers und Annahme der Kündigung trotz Nichtvorliegens der Voraussetzungen für eine Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG ist grundsätzlich auf alle Arten von Einkünften anwendbar und damit auch auf Leistungen aus Direktversicherungen als sonstige Einkünfte (vgl. BFH, Urteil v. 20.9.2016, X R 23/15). Das gilt auch für die nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG steuerbaren Leistungen einer externen betrieblichen Altersversorgung, wenn die vom Arbeitgeber für den begünstigten Arbeitnehmer geleisteten Beiträge nach § 3 Nr. 63 EStG als steuerfrei behandelt worden sind, der Arbeitgeber auf Veranlassung des Arbeitnehmers die Versicherung gekündigt hat, die Versicherung die Kündigung freiwillig angenommen hat, obwohl die in den Vertragsbedingungen genannten Voraussetzungen für eine Kündigung nicht erfüllt waren und wenn die Beitragszahlungen in mehr als zwei Veranlagungszeiträumen erfolgt sind sowie einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst haben.
2. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten sind nur dann außerordentlich, wenn die Zusammenballung der Einkünfte nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung entspricht.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 5 S. 1, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 4
Nachgehend
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 2016 vom 28.05.2018, geändert mit Bescheid vom 14.09.2018 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2019, wird dahingehend geändert, dass für Einkünfte in Höhe von 25.957 EUR die Steuer gemäß § 34 Abs. 1 EStG berechnet wird.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die ermäßigte Besteuerung wegen Zusammenballung von Einkünften gemäß § 34 Einkommensteuergesetz – EStG – von Leistungen der externen betrieblichen Altersversorgung (§ 22 Nr. 5 Satz 1 EStG) aufgrund Kündigung der Versicherung.
I.1.
Der Kläger war Arbeitnehmer der B GmbH in C, zuvor bei der D GmbH. Im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge schloss der Arbeitgeber infolge Bruttoentgeltumwandlung zwei Rentenversicherungsverträge ab bei dem seinerzeit als E Aktiengesellschaft, später als F AG firmierenden Unternehmen der G Gruppe, bei dem die Arbeitgeber keine Mitgliedschaft erwerben (FG-A Bl. 26), mit den Versicherungsnummern bzw.. Versicherungsnehmer war der Arbeitgeber, versicherte Person der Kläger. Beginn der Versicherung war ursprünglich der 01.12.2002 bzw. der 01.01.2006. Die Versicherung wurde durch Nachtrag zum Versicherungsschein vom 07.03.2012 auf den 01.02.2012 wieder in Kraft gesetzt und ist nach Angabe im Versicherungsschein „arbeitnehmerfinanziert gemäß § 3 Nr. 63 EStG”. Die Altersrentenzahlung des am 22.01.1967 geborenen Klägers hätte jeweils am 01.02.2032 beginnen sollen. Dem Kläger stand ein zwischen dem 01.02.2031 und dem 01.11.2031 auszuübendes Kapitalwahlrecht zu. In den Versicherungsbedingungen ist unter § 5 „Kündigung” jeweils ausgeführt, dass die Versicherung gekündigt werden kann, solange die gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen im Sinne des § 1b Betriebsrentengesetz – BetrAVG – noch nicht erfüllt sind, jedoch nur bis 3 Jahre vor Rentenbeginn, und dann der Rückkaufswert ausgezahlt wird. Nach Erfüllung der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen kann die Versicherung nicht mehr gekündigt, sondern nur noch beitragsfrei weitergeführt werden, was auch vorher jederzeit möglich ist (Versicherungsbedingungen im Einzelnen Einspruchsvorgang – EV – Bl. 71-80, 57-67).
Durch die Versicherung wurden monatlich 180 EUR bzw. 30 EUR vom Konto des Arbeitgebers abgebucht. Sie wurden vom Arbeitgeber gemäß § 3 Nr. 63 EStG als steuerfrei behandelt.
2.
Im Jahr 2015 wurden die Verträge auf Wunsch des Klägers wegen eines finanziellen Engpasses zunächst beitragsfrei gestellt. Dem Kläger wurde in einer Email mitgeteilt, die Beitragsfreistellung sei maximal zwei Jahre lang möglich (EV Bl. 29). Da er in Erwägung zog, sich selbständig zu machen, kündigte der Arbeitgeber auf Wunsch des Klägers die Verträge (EV Bl. 36). Die inzwischen aus der Akte ersichtlichen Versicherungsbedingungen lagen dem Kläger seinerzeit nicht vor.
Die Auflösung der beiden Versicherungen wurde zum 01.01.2016 durchgeführt. Die Auszahlung erfolgte an den Arbeitgeber und von diesem an den Kläger und betrug 23.045,18 EUR (21.651,55 EUR Versicherungswerte und 1.393,63 EUR Überschussanteile, EV Bl. 83) bzw. 2.911,82 EUR (2.767,79 EUR Versicherungswerte und 144,03 EUR Überschussanteile, EV Bl. 70), zusammen 25.957 EUR.
II.1.
Das beklagte Fin...