Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Aufrechnung von nach Insolvenzeröffnung begründeten Erstattungsansprüchen wegen Umsatzsteuer bzw. Zinsen nach 233a AO mit zur Tabelle angemeldeten Umsatzsteuerschulden
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Erstattungszinsen zur Umsatzsteuer gem. § 233a AO, die erst in Zeiträumen nach Insolvenzeröffnung entstehen, sind auch erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet und gehören vollständig zur Masse; somit scheidet eine Aufrechnung mit zur Tabelle angemeldeten Steuer aus.
2. Wird in der Umsatzsteuererklärung für den Zeitraum nach Insolvenzeröffnung bis zum Ende des Jahres aufgrund in diesem Zeitraum uneinbringlich gewordener Forderungen eine negative Umsatzsteuer ermittelt, muss das FA die bestandskräftige Festsetzung der negativen Umsatzsteuer auch im Falle der Rechtswidrigkeit wegen Eintritts der Uneinbringlichkeit bereits vor Verfahrenseröffnung gegen sich gelten lassen.
3. Eine Aufrechnung des nach Insolvenzeröffnung begründeten Umsatzsteuererstattungsanspruchs mit der rückständigen zur Tabelle angemeldeten Umsatzsteuer des identischen Kalenderjahrs scheitert an § 96 Abs. 1 Nr. 1 AO; eine Saldierung gem. § 16 UStG kommt ohnehin nicht in Betracht. Die Zulässigkeit der Aufrechnung lässt sich auch nicht mit der Erstattung von nicht abgeführter Umsatzsteuer begründen.
Normenkette
UStG § 17 Abs. 2, § 16; InsO § 96 Abs. 1 Nr. 1, § 95 Abs. 1 S. 1; AO §§ 233a, 37 Abs. 2, §§ 226, 47, 218 Abs. 2; BGB § 387
Tenor
Der Abrechnungsbescheid vom 06.07.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.03.2010 wird dahingehend geändert, dass der Anspruch auf Erstattung von Umsatzsteuer 2004 nebst Zinsen zu Gunsten der Insolvenzmasse in Höhe von insgesamt 21.114,00 EUR bestehend aus 20.310,00 EUR Umsatzsteuer 2004 und 804,00 EUR Zinsen zur Umsatzsteuer 2004 nicht durch Aufrechnung erloschen ist.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abzuwenden, wenn nicht dieser vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob dem Kläger ein auszukehrendes Guthaben aus Umsatzsteuer 2004 nebst Zinsen zur Massesteuernummer der B. GmbH zusteht.
Die B. GmbH stand in Geschäftsbeziehungen zur C. GmbH. Beide Gesellschaften hatten ihren Firmensitz in der D. Straße in E.. Vom Stammkapital der B. GmbH in Höhe von 25.000,00 EUR hielten die Herren F. und G. jeweils 12.500,00 EUR. Herr F. war zugleich Geschäftsführer der C. GmbH.
Der Geschäftsführer der B. GmbH stellte am 07.09.2004 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht H.. Dieses beauftragte mit Beschluss vom 23.09.2004 den Kläger mit der Erstellung eines Gutachtens darüber, ob die B. GmbH zahlungsunfähig überschuldet sei und ob sie über eine die Verfahrenskosten deckende Masse für eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens verfüge. In seinem Gutachten vom 08.10.2004 führte der Kläger unter anderem aus, dass die B. GmbH insgesamt offene Forderungen in Höhe von 417.000,00 EUR habe. Darin seien Forderungen in Höhe von 289.353,40 EUR gegen die C. GmbH enthalten. Nach Verrechnung mit Gegenforderungen seien diese in Höhe von 76.188,43 EUR (65.679,68 EUR zuzüglich 10.508,75 EUR USt) anzuerkennen. Diese Forderung würde aus dem Jahr 2003 stammen. Hinzu komme eine Forderung gegen die C. GmbH in Höhe von 24.829,83 EUR (21.405,03 EUR zuzüglich 3.424,80 EUR USt) aus den Monaten Februar bis Juli 2004 und September 2004. Hinsichtlich der Forderung aus dem Jahre 2003 sei der Geschäftsführer seit längerem bemüht, diese einzutreiben. Dies sei ihm nicht gelungen. Der Geschäftsführer beurteile die Forderungen an die C. GmbH seit dem 07.09.2004 als nicht mehr voll durchsetzbar. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens vom 08.10.2004 wird auf die in der Haftungsakte befindliche Kopie, Blatt 3 bis 16 verwiesen.
Das Amtsgericht H. eröffnete mit Beschluss vom 11.10.2004 (35 IN …/04) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
Am 26.10.2004 stellte die C. GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Das Amtsgericht H. eröffnete mit Beschluss vom 01.12.2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der C. GmbH (35 IN …/04). Zu diesem Zeitpunkt hatte die B. GmbH noch Forderungen gegen die C. GmbH, die aus Leistungen der B. GmbH vor Eröffnung des sie betreffenden Insolvenzverfahrens herrührten.
Für die Monate August und September 2004 reichten weder der Kläger noch die B. GmbH Umsatzsteuer-Voranmeldungen ein. Deshalb schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen und erließ am 07.02.2005 für diese Monate Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide. Der Beklagte meldete diese mit Fälligkeit 11.10.2004 zur Tabelle an (siehe KStAkte...