Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkendes Werbungskostenabzugsverbot für nicht im Rahmen von Dienstverhältnissen stattfindende Erstausbildungen (hier: zum Berufspiloten) nicht verfassungswidrig. Bindungswirkung eines BFH-Urteils nur im entschiedenen Einzelfall
Leitsatz (redaktionell)
1. Aufwendungen für eine erstmalige, nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindende Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer/Berufspiloten sind nach der auch rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2004 anzuwendenden Vorschrift des § 9 Abs. 6 EStG i. d. F. des BeitrRLUmsG keine (vorweggenommenen) Werbungskosten i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit, so dass insoweit keine Werbungskostenüberschüsse anfallen, die als Verlustvortrag gesondert festgestellt werden können.
2. Die auch rückwirkende Neuregelung für nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindende Erstausbildungen ist nicht verfassungswidrig und verstößt insbesondere nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot oder den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
3. Der Kläger hat auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben Anspruch auf Stattgabe seiner Klage, wenn das FA nach Ergehen einer geänderten, für den Kläger günstigen BFH-Rechtsprechung nicht sofort über den Einspruch entschieden, sondern auf die Reaktion der Verwaltung gewartet hat und diese Reaktion in der auch rückwirkend anwendbaren, für den Kläger ungünstigen Fassung des § 9 Abs. 6 EStG i. d. F. des BeitrRLUmsG bestanden hat.
4. Die Finanzbehörde handelt nicht rechtswidrig, wenn sie sich einer höchstrichterlichen Rechtsauffassung nicht anzuschließen vermag; Urteile, auch solche des BFH, binden eben nur die Beteiligten des betroffenen Einzelfalles. Einen Anspruch darauf, von der Finanzbehörde unter Beachtung einer geänderten Rechtsprechung beschieden zu werden, besteht daher für Kläger in anderen Verfahren nicht.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10d Abs. 1, 4; EStG (i. d. F. des BeitrRLUmsG) § 9 Abs. 6; EStG (i. d. F. des BeitrRLUmsG) § 12 Nr. 5; EStG (i. d. F. des BeitrRLUmsG) § 52 Abs. 23d S. 5; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1; FGO § 46
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die gesonderte Feststellung eines vortragsfähigen Verlustes zum 31.12.2006 aus vorweggenommenen Werbungskosten.
Der Kläger absolvierte in den Jahren 2003 bis 2006 eine erstmalige Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer/Berufspiloten. Ab dem Jahr 2007 erzielte der Kläger Einkünfte aus dieser Tätigkeit.
Am 17.09.2008 reichte der Kläger eine Einkommensteuererklärung 2006 ein, in der er Kosten für seine Berufsausbildung als vorweggenommene Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 56.704 EUR geltend machte und beantragte die gesonderte Feststellung eines entsprechenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31.12.2006. Die Kosten wurden im Einzelnen nachgewiesen und vom Beklagten der Höhe nach bisher nicht beanstandet.
Mit Bescheid vom 23.12.2008 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2006 auf 0,– EUR fest. Mit Bescheid gleichen Datums wurde der vortragsfähige Verlust zur Einkommensteuer zum 31.12.2006 in Höhe von 18.413 EUR festgestellt. Dies entsprach dem bereits zum 31.12.2005 festgestellten Verlustvortrag. Die (mit der eingereichten Steuererklärung für 2006 beantragte) Erhöhung des Verlustvortrages um weitere 56.704 EUR lehnte der Beklagte ab und führte zur Begründung aus, dass es sich bei den streitigen Ausbildungskosten um solche im Rahmen einer Erstausbildung handle, die lediglich als Sonderausgaben mit einem Maximalbetrag von 4.000 EUR berücksichtigungsfähig seien.
Gegen die Feststellung des vortragsfähigen Verlustes zur Einkommensteuer zum 31.12.2006 legte der Kläger per Telefax am 09.01.2009 Einspruch ein. Das Einspruchsverfahren wurde vom Beklagten im Einvernehmen mit dem Kläger wegen zu diesem Zeitpunkt bereits anhängiger Verfahren beim Bundesfinanzhof – BFH – zur Frage der Abzugsfähigkeit von Erstausbildungskosten ruhend gestellt.
Nachdem der BFH in seinen Entscheidungen VI R 38/10 und VI R 7/10 Erstausbildungskosten (auch die eines Piloten) als vorweggenommene Werbungskosten qualifiziert hatte, bat der Kläger mit Schreiben vom 23.08.2011 um Fortführung des Rechtsbehelfsverfahrens. Das beklagte Finanzamt lehnte dies ab und verwies darauf, dass eine Entscheidung der Oberbehörde als Reaktion auf die geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung abzuwarten sei, woraufhin der Kläger am 12.10.2011 Untätigkeitsklage erhob.
Mit Einspruchsentscheidung vom 01.02.2012 wurde der Einspruch sodann zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die geänderte BFH-Rechtsprechung zur steuerlichen Abziehbarkeit von Erstausbildungskosten nicht zur Anwendung kommen könne, da im zwischenzeitlich in Kraft getretenen Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom...