Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu einer Erstattung führende Einkommensteuererklärung bei Pflichtveranlagung ist im Streitfall kein den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmender „Antrag”
Leitsatz (redaktionell)
1. Folge der Festsetzungsverjährung ist nicht nur, dass eine Steuer nicht mehr festgesetzt werden kann, sondern auch, dass (jegliche) Änderung des Steuerbescheids unzulässig ist. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist von Amts wegen zu berücksichtigen.
2. Ist eine Pflichtveranlagung durchzuführen, so ist eine vor Ablauf der Festsetzungsfrist eingereichte Einkommensteuererklärung, selbst wenn sie zu einer Erstattung führen soll, kein den Fristablauf hemmender Antrag i. S. d. § 171 Abs. 3 AO.
3. Allein die Entgegennahme der Steuererklärung schafft keinen Vertrauenstatbestand, der das FA zur Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung noch innerhalb der Festsetzungsfrist verpflichten könnte.
4.Offen gelassen ist (auch in der Rechtsprechung des BFH), ob dies im Ausnahmefall anders sein kann, wenn das FA durch eigenes aktives Tun einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, es werde rechtzeitig vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Änderung von sich aus vornehmen.
Normenkette
AO § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 171 Abs. 3 S. 1; EStG § 46 Abs. 2 Nr. 3a, § 36 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob ein Bescheid noch änderbar ist oder ob Festsetzungsverjährung eingetreten und damit eine Änderung ausgeschlossen ist.
Die Kläger erzielten in den Streitjahren umfangreiche Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Daneben erzielten die Kläger u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Beim Kläger erfolgte der Lohnsteuerabzug nach der Steuerklasse V.
Die Kläger reichten – laut Eingangsstempel des Beklagten – die Einkommensteuererklärung für 1998 am 30. Dezember 2004 ein.
Am 03. August 2006 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid für 1998, der nach dem Abrechnungsteil des Bescheids unter Berücksichtigung der Steuerabzugsbeträge zur Feststellung einer Überzahlung bzw. eines Erstattungsanspruchs vor Verrechnung in Höhe von 5.082,75 EUR führte. Bei der Festsetzung wich der Beklagte in mehreren Punkten von der Erklärung zu Ungunsten der Kläger ab, indem er einen geringeren Verlust bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ansetzte und den Abzug von Spenden als Sonderausgaben versagte.
Gegen den vorgenannten Bescheid legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein, ohne diesen zu begründen, so dass der Beklagte diesen mit Einspruchentscheidung vom 11. Oktober 2006 als unbegründet zurückwies.
Hiergegen haben die Kläger fristgemäß Klage erhoben, mit der sie einen weitergehenden Verlust bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als vom Beklagten angesetzt und die Berücksichtigung von Spenden als Sonderausgaben begehren. Die diesbezüglichen Beträge ergeben sich aus dem Schriftsatz der Kläger vom 19. April 2010, der nach einem Erörterungstermin erstellt worden ist, der zwischen den Beteiligten in den Räumlichkeiten des Beklagten am 15. Februar 2010 mit dem Versuch stattgefunden hatte, den Rechtsstreit außergerichtlich beizulegen.
Nachdem die Beteiligten bis dahin über die materielle Rechtmäßigkeit des Bescheides gestritten hatten, hat der Beklagte erstmalig mit Schriftsatz vom 24. November 2010 geltend gemacht, dass bezüglich der Steuer Festsetzungsverjährung mit Ablauf des 31. Dezember 2005 eingetreten sei, der Bescheid im Jahre 2006 nicht mehr habe ergehen dürfen und daher schon aus diesem Grunde der Bescheid nicht mehr im Sinne der Kläger geändert werden könne. Die Einreichung der Steuererklärung vor Ablauf der Festsetzungsfrist habe zu keiner Ablaufhemmung im Sinne des § 171 Abs. 3 Abgabenordnung – AO – geführt, weil gemäß der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Abgabe einer (gesetzlich vorgeschrieben) Steuererklärung kein Antrag im Sinne dieser Vorschrift sei (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 11. Mai 1995 V R 136/93, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs, BFH/NV 1996, 1).
Demgegenüber sind die Kläger der Auffassung, dass vorliegend im Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheides noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei, der Eintritt der Verjährung vielmehr nach § 171 Abs. 3 AO durch die rechtzeitige Abgabe der Steuererklärung vor Ablauf der Festsetzungsfrist – nach wie vor – gehemmt sei. Der vom Beklagten zitierten Entscheidung des BFH sei nicht zu folgen, weil diese – wie auch diesbezügliche weitere Entscheidungen des BFH – nicht „amtlich” veröffentlicht worden sei. Davon abgesehen sei es dem Beklagten nunmehr nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Festsetzungsverjährung zu berufen. Von der Abgabe der Erklärung am 30. Dezember 2004 bis zum regulären Ablauf der Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2005 sei noch ein Jahr Zeit gewesen, eine Veranlagung fristgerecht durch...