Entscheidungsstichwort (Thema)
Für Grundsteuererlass maßgebliche Jahresrohmiete. Gründe für vom Steuerpflichtigen nicht zu vertretende Ertragsminderung unerheblich für Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 S. 1 GrStG a. F.
Leitsatz (redaktionell)
1. Infolge der Bezugnahme des § 33 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 GrStG auf § 79 BewG gibt es zwei mögliche Bezugsgrößen, an denen eine etwaige für einen Grundsteuererlass maßgebliche Ertragsminderung zu messen ist, und zwar die vereinbarte Jahresrohmiete für bei zu Beginn des Erlasszeitraums vermietete Räume, sofern diese die übliche Miete nicht um mehr als 20 % über- oder unterschreitet, sowie die übliche Miete (u.a. bei zu Beginn des Erlasszeitraums leerstehenden Räumen). Dabei ist unter der üblichen Miete zu Beginn des Erlasszeitraums nicht die Durchschnittsmiete, die für die vermieteten Teile vereinbart werden konnte, sondern eine in Anlehnung an die Miete für Räume gleicher Art, Lage und Ausstattung zu schätzende Miete zu verstehen (Anschluss BFH v. 24.10.2007, II R 5/05).
2. Hat der Steuerpflichtige die Ertragsminderung nicht zu vertreten, ist ein Grundsteuererlass nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG (in der vor 2008 gültigen Fassung) unabhängig davon zu gewähren, ob die Ertragsminderung typisch oder atypisch, strukturell oder nicht strukturell bedingt, vorübergehend oder nicht vorübergehend oder durch eine Fehlmaßnahme bzw. Anlaufschwierigkeiten bei Errichtung und Vermietung eines neuen Objekts veranlasst ist (Anschluss an BFH v. 24.10.2007, II R 5/05 und II R 6/05).
3. Der Steuerpflichtige hat die Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung zu einer Miete innerhalb der Spanne eines marktgerechten Mietzinses bemüht hat (hier: durch Einschaltung eines Mietmaklers als Fachunternehmen). Vom Steuerpflichtigen kann nicht verlangt werden, sich stets den unteren Rand der Mietpreisspanne zu eigen zu machen. Es reicht vielmehr aus, dass die Räumlichkeiten dem Markt zur Verfügung stehen und nachhaltig zu einer Miete innerhalb der Spanne eines marktgerechten Mietzinses angeboten werden.
Normenkette
GrStG § 33 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 2; BewG § 79 Abs. 1, 2 S. 1 Nrn. 1-2
Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, die Grundsteuer für 1998 für das Grundstück B. in C. unter Aufhebung der Ablehnungsverfügung vom 9. Dezember 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 2000 in Höhe eines Teilbetrages von 38.531 EUR (75.360 DM) zu erlassen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Klageverfahrens 2 K 2331/00 B beim Finanzgericht Berlin und der Verfahren II B 55/03 und II R 5/05 beim Bundesfinanzhof haben die Beteiligten wie folgt zu tragen: Die bis zum 18. Februar 2008 entstandenen Kosten werden der Klägerin zu 15 vom Hundert und dem Beklagten zu 85 vom Hundert auferlegt; die danach entstandenen Kosten haben die Klägerin zu 3 vom Hundert und der Beklagte zu 97 vom Hundert zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Zeit bis zum 18. Februar 2008 auf 45.225 EUR (88.453 DM) und danach auf 39.630 EUR (77.510 DM) festgesetzt.
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Die Klägerin ist eine Immobilien verwaltende Gesellschaft in der Rechtsform einer (Publikums-)Kommanditgesellschaft (geschlossener Immobilienfonds). Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin den teilweisen Grundsteuererlass für das Jahr 1998. Die Klägerin erstellte 1994 auf dem eigenen Grundstück B. in C. nach einer vorausgegangenen Markt- und Standortanalyse ein Bürogebäude, das zur vollständigen Vermietung an verschiedene Nutzer bestimmt war. Das Gebäude weist eine Bürofläche von 22.284 m² (aktuelles Aufmaß) sowie eine Tiefgarage (nebst Lagerflächen) mit 320 Stellplätzen auf. Das Grundstück ist zum 1. Januar 1995 im Ertragswertverfahren als Geschäftsgrundstück bewertet worden. Der Grundsteuermessbetrag wurde auf den 1. Januar 1995 auf 45.939,95 DM festgesetzt. Dies ergab für 1998 eine Grundsteuer von 275.639,70 DM, die gemäß § 27 Abs. 3 Grundsteuergesetz – GrStG – durch öffentliche Bekanntmachung festgesetzt wurde.
Mit dem am 22. März 1999 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 15. März 1999 beantragte die Klägerin, ihr die Grundsteuer 1998 wegen wesentlicher Ertragsminderung gemäß § 33 Abs. 1 GrStG i.H.v. 32,00 % (Bl. 203 Bd. 2), nämlich in Höhe eines Teilbetrages von 88.453 DM, zu erlassen, da das Gebäude im Erlasszeitraum teilweise leer gestanden habe und die Mieten für die vermieteten Flächen hinter der ortsüblichen Miete weit zurückgeblieben seien. Den zu erlassenden Steueranteil hatte die Klägerin auf der Grundlage einer üblichen Miete von 25 DM/m² für die Büroräume, 10 DM/m² für die Lagerräume und 150 DM ...