Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Aufrechnung des FA als Insolvenzgläubiger mit einem massezugehörigen Umsatzsteuererstattungsanspruch
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Aufrechnung scheitert nur an § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO, wenn die Forderung der Masse, hier: der Umsatzsteuererstattungsanspruch des Insolvenzverwalters, vor der Insolvenzforderung, hier: der Umsatzsteuerforderung des Finanzamts, unbedingt und fällig war, sie also früher durchgesetzt werden konnte als die Insolvenzforderung. Ist hingegen nur die Forderung der Masse aufschiebend bedingt, kann der Insolvenzgläubiger aufrechnen, sobald die Bedingung eingetreten ist.
2. Resultiert ein zur Insolvenzmasse gehörender Umsatzsteuererstattungsanspruch aus der Uneinbringlichkeit des vereinbarten Entgelts für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung gem. § 17 UStG 1999, die die Gemeinschuldnerin vor der Insolvenzeröffnung bewirkt hat, steht der Aufrechnung mit einer Insolvenzforderung des Finanzamts weder § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO noch § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 129 Abs. 1 InsO entgegen.
Normenkette
UStG 1999 § 17 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 Nr. 1; InsO § 95 Abs. 1 S. 3, § 96 Abs. 1 Nrn. 1, 3, § 129 Abs. 1, §§ 130-131; AO § 226 Abs. 1, § 218 Abs. 2; BGB § 387
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH; aufgrund eines am 6. Juli 1999 gestellten Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat das zuständige Amtsgericht … durch Beschluss vom 4. Oktober 1999 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet und zugleich den Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Der Kläger reichte beim Beklagten die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2000 im Jahre 2002 ein, mit welcher er einen Umsatzsteuer-Erstattungsbetrag in Höhe von 12.260,00 DM (6.268,44 EUR) deklarierte. Durch seine Mitteilung vom 5. Juni 2002 stimmte der Beklagte dieser Jahreserklärung zu. Der Erstattungsbetrag wurde nicht an den Kläger ausgezahlt, sondern teilweise mit Umsatzsteuerschulden der Gemeinschuldnerin für den Voranmeldungszeitraum Juli 1999 verrechnet. Dies teilte der Beklagte dem Kläger mit der Umbuchungsmitteilung vom 9. Juli 2002 mit. Dieser Umbuchung widersprach der Kläger; er bat um Auskehrung des Guthabens in Höhe von 3.567,10 EUR (= 6.976,64 DM), da es sich insoweit um Umsatzsteuererstattungen aufgrund von Ausbuchungen von Umsätzen, die innerhalb von drei Monaten vor Stellung des Insolvenzantrages erzielt wurden, handele; weitere 81,81 EUR (= 160,00 DM) resultierten nach seinen, des Klägers, Angaben aus Vorsteuern, welche nach Insolvenzeröffnung entstanden seien. Dieser Betrag sei daher ebenfalls auszukehren.
Der Beklagte zahlte daraufhin 81,81 EUR an den Kläger aus, lehnte die darüber hinausgehende Erstattung aber weiterhin ab. Am 21. November 2003 erließ der Beklagte einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Abgabenordnung – AO – zur Umsatzsteuer für 2000.
Mit der im Jahre 2004 eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung für 2003 machte der Kläger einen Erstattungsanspruch in Höhe von 182,96 EUR beim Beklagten geltend. Auch dieser Erklärung stimmte der Beklagte zu und buchte einen Teil dieser Erstattung in Höhe von 94,40 EUR auf rückständige Umsatzsteuer für Juni 1999 um. Nachdem der Kläger dieser Umbuchung ebenfalls widersprochen hatte, erließ der Beklagte am 6. September 2004 auch insoweit einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO.
Gegen die Abrechnungsbescheide legte der Kläger jeweils rechtzeitig Einsprüche ein, die er wie folgt begründete: Die Umsatzsteuerguthaben aus den Jahreserklärungen 2000 und 2003 würden aus der Ausbuchung von uneinbringlichen Forderungen resultieren, welche in einem Zeitraum von drei Monaten vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und seinerzeit auch umsatzversteuert worden seien. Damit fielen diese Beträge unter das Aufrechnungsverbot gem. §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 130 Insolvenzordnung – InsO –.
Mit seiner zusammengefassten Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2005 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Er meint, er habe wirksam die Aufrechnung der strittigen Forderungen erklärt.
§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO stehe der Aufrechnung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift sei eine Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden sei. Im Streitfall seien die Umsatzsteuerfestsetzungen, welche die Forderungen des Gemeinschuldners begründeten, zwar erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Oktober 1999 ergangen, der Rechtsgrund des Erstattungsanspruchs sei jedoch bereits bei Verfahrenseröffnung gelegt gewesen. Resultierten – wie im Streitfall – Erstattungsansprüche aus Berichtigungen des Steuerbetrages wegen der Uneinbringlichkeit des Entgelts für Lieferungen und Leistungen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 Umsatzsteuergesetz – UStG –), die vor Insolvenzeröffnu...