rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerb von Kraftfahrzeugen durch einen Gebrauchtwagenhändler von anderen Personen als den letzten Haltern der Fahrzeuge: Zulässigkeit von ohne vorherige Anfrage beim Gebrauchtwagenhändler direkt an die letzten Fahrzeughalter gestellten Auskunftsersuchen der Betriebsprüfungsstelle zur Person des jeweiligen Fahrzeugerwerbers sowie zum Verkaufspreis
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird bei der Betriebsprüfung bei einem Gebrauchtwagenhändler festgestellt, dass in zahlreichen Fällen die Personen, die Fahrzeuge an den Händler verkauft haben, nicht die letzten dem Kraftfahrt-Bundesamt bekannten Halter der Fahrzeuge waren, und will die Außenprüfung die Lieferkette vom letzten Halter über Zwischenhändler bis hin zum Gebrauchtwagenhändler ermitteln, um die Einkaufspreise des Gebrauchtwagenhändlers zu überprüfen, so sind die – ohne vorherige Anfrage oder Anhörung des Gebrauchtwagenhändlers – an die letzten Fahrzeughalter gerichteten Auskunftsersuchen der Betriebsprüfung, in denen jeweils um Mitteilung der Person des jeweiligen Erwerbers, des Verkaufspreises und ggf. um Vorlage des Verkaufsbeleges gebeten worden ist, unter Berücksichtigung der BFH-Rspr. (Urteil v. 29.7.2015, X R 4/14) zu den Anforderungen an ein ermessensgerechtes, verhältnismäßiges und verfassungskonformes, an dritte Personen gerichtetes Auskunftsersuchen nicht ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig. Das gilt insbesondere dann, wenn die Betriebsprüfung bei einigen betroffenen Einkäufen Ungereimtheiten wie z. B. Namensabweichungen, Ähnlichkeiten von Verkäufernamen mit den Namen von anderen Händlern, falsche Adressenangaben o. ä. festgestellt hat.
2. Dass Steuerpflichtige durch das Einschalten von vermeintlichen Zwischenhändlern versuchen, die eigenen Gestehungskosten für verkaufte Waren künstlich zu erhöhen, um so ihren Gewinn zu minimieren, ist ein verbreitet auftretendes Konstrukt. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Betriebsprüfung -ohne dass damit bereits ein konkreter Verdacht gegen den Gebrauchtwagenhändler hätte verbunden sein müssen – die beim Händler mehr als nur vereinzelte auftretenden Fälle, in denen es nach seinen Angaben zur Einschaltung eines Zwischenhändlers gekommen sein musste, weil der letzte Verkäufer nicht mit dem Fahrzeughalter identisch war, aufgrund seiner allgemeinen Erfahrung zum Anlass für eine nähere Überprüfung genommen hat.
Normenkette
AO § 93 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 92 Sätze 1, 2 Nr. 1, §§ 85, 88, 5; FGO § 102
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von 21 an Dritte gerichtete Auskunftsersuchen des Beklagten im Rahmen einer beim Kläger durchgeführten Außenprüfung.
Der Kläger betreibt in B. unter der Firma „C.” einzelunternehmerisch einen Handel mit Kraftfahrzeugen, vor allem mit Gebrauchtwagen. Er erzielte laut den eingereichten Jahressteuererklärungen und Bilanzen in den Jahren 2008 bis 2011 positive Betriebsergebnisse in Höhe von mindestens 113 671 EUR (2008) bis zu 267 288 EUR (2009).
Mit Bescheid vom 4. November 2015 ordnete der Beklagte die Durchführung einer Außenprüfung beim Kläger betr. Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer für die Jahre 2009 bis 2011 an.
Im Rahmen der Außenprüfung führte die Prüferin mehrere Anfragen beim Kraftfahrt-Bundesamt (künftig: KBA) hinsichtlich der vom Kläger in den Jahren 2009 bis 2011 angekauften Fahrzeuge durch. Dabei stellte sich heraus, dass in einer Reihe von Fällen diejenigen Personen, die die Fahrzeuge an den Kläger verkauft hatten, nicht mit dem jeweils letzten Halter der Fahrzeuge identisch waren. Anhand der übergebenen Geschäftsunterlagen konnte die Prüferin die Bewegungen der vorgenannten Fahrzeuge in der Kette zwischen dem letzten Fahrzeughalter laut Auskunft des KBA und dem Kläger nicht nachvollziehen. Die Fahrzeugbriefe hatte der Kläger beim Weiterverkauf der Fahrzeuge ausgehändigt.
In einem am 8. Februar 2016 begonnenen und nach Eingang weiterer Auskünfte des KBA am 9. bzw. 10. Februar 2016 ergänzten Aktenvermerk hielten die Außenprüferin, Frau D., und die zuständige Sachgebietsleiterin für Betriebsprüfung, Frau E., bestimmte Umsätze des Klägers mit Gebrauchtfahrzeugen als auffällig fest und stellten Erwägungen über durchzuführende Auskunftsersuchen an. In diesem Vermerk (Bl. 000039 ff. BP-Handakten), der nachstehend hinsichtlich der streitgegenständlichen 21 Auskunftsersuchen wiedergegeben wird, heißt es:
„Nach interner Rücksprache im Haus am 08.02.2016 (s. separate Gesprächsnotizen) sind die Auskunftsersuchen an die letzten Halter der Fahrzeuge durch die BP zu fertigen.
Ermessensentscheidungen:
Allgemeine Vorbemerkungen: Nach – durch die Vorprüfgruppe – durchgeführten KBA-Anfragen wurde erkennbar, dass die Personen, die die Fahrzeuge an [den Kläger] verkauft haben, nicht die letzten Halter der Fahrzeuge waren.