Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Vollstreckung mit Ablehnung eines Aussetzungsantrages

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach dem Ende einer Vollstreckungsschutz gewährenden Regelung ist dem Steuerpflichtigen angemessene Zeit einzuräumen, um einen begründeten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen zu können, bevor gegen ihn Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet werden.

 

Normenkette

AO §§ 220, 251 Abs. 1, § 361 Abs. 1, § 249 Abs. 1 S. 1, § 346; GG Art.19 Abs. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.10.2004; Aktenzeichen VII R 65/03)

 

Tatbestand

Der Kläger war Mitte der 90iger Jahre zusammen mit den Klägern der beiden Parallelverfahren 7 K 6268/01 und 7 K 6272/01 (frühere Ehefrau und Vater des Klägers) Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, ... die zuletzt als -im Folgenden: GmbH- firmierte. Zunächst (bis 1995) waren ausweislich der Handelsregistereintragungen Herr -im Folgenden: V-, danach (im 2. Halbjahr 1995) der Kläger und schließlich (von 1996 bis August 1998) Frau Geschäftsführer ... der GmbH. V war von 1996 bis 1998 deren Prokurist.

Im Juli 1998 veräußerten die Mitglieder der Familie ... ihre Anteile an der GmbH an Frau ... Geschäftsführer wurde Herr ...

Ein am 12. Oktober 1998 gestellter Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstrekkungsverfahrens über das Vermögen der GmbH wurde am 10. Dezember 1998 mangels Masse zurückgewiesen.

In den Jahren 1997 und 1998 führte der Beklagte bei der GmbH eine Außenprüfung durch und erließ in der Folge am 17. Dezember 1998 geänderte Steuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 1993 bis 1995, die wegen der Annahme von verdeckten Gewinnausschüttungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz -KStG- und anderen Ausschüttungen im Sinne des § 27 Abs. 3 KStG zu erheblichen Nachzahlungen gegenüber den Ursprungsbescheiden führten. Die dagegen eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 14. April 1999 zurück, worauf die GmbH am 17. Mai 1999 unter dem Aktenzeichen -Az.- 8 K 8310/99 Klage erhob und unter dem Az. 8 B 8311/99 einen Antrag nach § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung -FGO- stellte.

Da die nachgeforderten Beträge bei der GmbH nicht beitreibbar waren, erließ der Beklagte am 8. Juli 1999 gegen den Kläger einen Haftungsbescheid über eine Haftungssumme von 964 065,92 DM und forderte ihn auf, die Haftungssumme binnen einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu entrichten.

Dagegen legte der Kläger am 20. Juli 1999 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung.

Mit Schreiben vom 7. Dezember 1999 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass über seinen Aussetzungsantrag erst nach einer Entscheidung des Finanzgerichts -FG- im dortigen AdV-Verfahren 8 B 8311/99 entschieden werde. Zwischenzeitlich würden keine Vollstreckungsmaßnahmen vorgenommen.

Am 10. April 2000 wies der 8. Senat des FG die Klage der GmbH gegen die aufgrund der Außenprüfung ergangenen Steuerbescheide im Wesentlichen zurück (Az. 8 K 8310/99), ebenso den Aussetzungsantrag (Az. 8 B 8311/99). Die mit Gründen versehenen Entscheidungen wurden den Beteiligten am 10. bzw. 12. Juli 2000 zugestellt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger, seine Familienmitglieder oder seine Bevollmächtigten unmittelbar oder mittelbar Kenntnis vom Verlauf des Klageverfahrens der GmbH hatten, bestehen nicht.

Unter dem 18. August 2000 lehnte der Beklagte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides ab und verwies zur Begründung auf das Urteil des FG vom 10. April 2000 8 K 8310/99. Damit stehe fest, dass der Kläger durch Bewilligung insbesondere eines überhöhten Kaufpreises für Anlagevermögen und Übernahme unfertiger Bauleistungen des Einzelunternehmens des V und überhöhter Gehaltszahlungen an sich das Vermögen der GmbH gemindert habe, sodass die GmbH die zutreffenden Körperschaft- und Gewerbesteuern nicht habe zahlen können. Zugleich habe er durch Abgabe falscher Steuererklärungen die richtige Festsetzung der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer verhindert.

Dieses Schreiben ist nach der unwidersprochen gebliebenen Einschätzung des Berichterstatters am 22. August 2000 zur Post gegeben worden und am 23. August 2000 bei den Bevollmächtigten des Klägers eingegangen (vgl. Bl. 29 Str. A. und Anl. K 8 zur Streitakte).

Drei Wochen nach Absendung der Ablehnungsverfügung erließ der Beklagte am 12. September 2000 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber dem Finanzamt Eberswalde.

Drei Wochen und sechs Tage nach Absendung der Ablehnungsverfügung legte der Kläger am 18. September 2000 gegen die Ablehnung Einspruch ein und machte geltend, es sei bislang ungeklärt, ob er durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten den Ausfall der Steuerforderung verursacht habe. Darauf reagierte der Beklagte zunächst nicht.

Vielmehr erließ er sechs Wochen und einen Tag nach Absendung der Ablehnungsverfügung am 4. Oktober 2000 gegenüber der X-Bank eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung in die Konten des Klägers.

Am 2. Oktober 2000 (fünf Wochen und sechs Tage nach Absendung der Ablehnungsverfügung) stellte...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge