Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung eines Kindes, das nach der Grundausbildung in der Bundeswehr freiwillig Wehrdienst im Mannschaftsdienstgrad leistet. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: III R 43/22)
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine analoge Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG zugunsten freiwillig Wehrdienstleistender kommt mangels planwidriger Unvollständigkeit des geltenden Rechts nicht in Betracht.
2. Ein nach Beendigung der Grundausbildung absolvierter freiwilliger Wehrdienst im Mannschaftsdienstgrad ist nicht als (militärische) Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu würdigen.
3. Ein Kind, das nach der Grundausbildung freiwillig im Mannschaftsdienstgrad Wehrdienst leistet und sich während dieser Zeit entscheiden möchte, ob es die Offizierslaufbahn mit einer damit verbundenen weiteren Ausbildung bei der Bundeswehr einschlagen oder nach dem freiwilligen Wehrdienst aufhören und einen zivilen Studiengang an einer Hochschule beginnen wird, für den die Bewerbungsfrist erst nach Antritt des freiwilligen Wehrdienstes beginnt, ist nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen.
4. Die Grundausbildung in der Bundeswehr ist keine Erstausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, c, d, S. 2
Tenor
Der Aufhebungsbescheid vom 14. Februar 2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2022 wird hinsichtlich der Monate März 2022, April 2022 und Mai 2022 aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Kindergeld für seinen Sohn K., geboren am … 2002 – nachfolgend abgekürzt: K. –, für die Dauer des freiwilligen Wehrdienstes nach Beendigung der Grundausbildung.
Das Kind K. schloss seine Schulausbildung im Sommer 2021 mit dem Abitur (Durchschnittsnote: 1,7) ab.
Am … Juni 2021 beantragte der Kläger die weitere Gewährung von Kindergeld für seinen Sohn K. Er teilte der Beklagten auf den dafür vorgesehenen Vordrucken „Erklärung für ein volljähriges Kind ohne Ausbildungs- und Arbeitsplatz” und „Erklärung zu den Verhältnissen eines volljährigen Kindes” mit, dass K. einen Studienplatz suche und sich zur „Überbrückung” bei der Bundeswehr für den freiwilligen Wehrdienst beworben habe, jedoch noch keine endgültige Bestätigung habe. Hierzu fügte er eine vom … Juni 2022 datierende Bestätigung des Karrierecenters der Bundeswehr …, Dezernat Bewerbungsmanagement, über den Eingang der Bewerbung von K. bei.
Mit Schreiben vom 8. Juli 2021 forderte die Beklagte den Kläger auf, zum Studienbeginn des Kindes K. Stellung zu nehmen. Sie bat um Angaben dazu, warum K. das Studium erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen werde, obwohl das nächstmögliche Semester das kommende Wintersemester sei, sowie um Vorlage von Nachweisen (z. B. Auszug aus den Studienbedingungen, Infomaterial der Hochschule oder Ähnlichem), falls ein früherer Beginn nicht möglich sein sollte, weil z. B. der angestrebte Studiengang ausschließlich zu einem späteren Semester beginne, vor Beginn des Studiums noch ein vorgeschriebenes Praktikum abzuleisten sei oder Arbeitsproben zu erstellen seien. Hierfür setzte sie dem Kläger eine Frist bis zum 29. Juli 2021.
Mit Bescheid vom 13. Juli 2021 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind K. gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab dem Monat August 2021 auf und gab zur Begründung an, dass nach ihren Unterlagen das Kind K. im Monat Juli 2021 seine Schulausbildung beenden werde.
Mit E-Mail vom 20. Juli 2021 wandte sich K. an die Beklagte und teilte dieser mit, dass er sich im Mai 2021 zum freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr mit dem voraussichtlichen Einstellungstermin 1. Oktober 2021 gemeldet habe und dass er sich dann innerhalb des Wehrdienstes entscheiden werde, ob er eine Verpflichtung mit einem damit verbundenen Studium und Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr eingehe oder ob er nach dem Wehrdienst aufhöre und einen zivilen Studiengang anstrebe.
Mit Bescheid vom 19. August 2021 entsprach die Beklagte dem Antrag des Klägers auf Kindergeld vom 30. Juni 2021 und setzte Kindergeld für das Kind K. ab dem Monat August 2021 fest. Zur Begründung führte sie aus, dass das Kind K. eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen bzw. für eine beabsichtigte Berufsausbildung noch keinen Nachweis vorlegen könne. Es könne daher kindergeldrechtlich berücksichtigt werden.
Mit Bescheid vom 14. Oktober 2021 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind ...