Entscheidungsstichwort (Thema)

LKW-Fahrer als Schuldner der Tabaksteuer für in der Ladung versteckte Schmuggelzigaretten. Erhebung durch Durchgangsstaat. Ermessensentscheidung bei der Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein angestellter Fahrer, der mit dem von ihm gelenkten Sattelschlepper mit Auflieger unverzollte und unversteuerte, in Heizkesseln bzw. Klimageräten versteckte Zigaretten mit weißrussischen Steuermarken aus Litauen in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zwecks Weitertransport und Verkauf nach Großbritannien verbracht hat, schuldet als deren Besitzer die Tabaksteuer.

2. Das Hauptzollamt als zuständige Behörde der Bundesrepublik Deutschland ist befugt, die im Rahmen der Verbringung der Schmuggelzigaretten in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entstandene Tabaksteuer zu erheben, auch wenn die Bundesrepublik Deutschland tatsächlich lediglich als Durchgangsstaat anzusehen ist und die Schmuggelzigaretten letztlich für den Markt in Großbritannien bestimmt waren.

3. Im Fall einer vorsätzlichen Steuerstraftat ist die Ermessensentscheidung darüber, welcher von mehreren in Betracht kommenden Steuerschuldnern in Anspruch genommen werden soll, in der Weise vorgeprägt, dass es einer besonderen Begründung der Ermessensausübung nicht bedarf.

 

Normenkette

TabStG § 23 Abs. 1, § 17 Abs. 1; EGRL 118/2008 Art. 33 Abs. 4, Art. 34, 7; AO §§ 44, 5

 

Nachgehend

BFH (EuGH-Vorlage vom 12.12.2023; Aktenzeichen VII R 6/21)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem der Beklagte den Kläger auf Tabaksteuer i. H. v. 1.533.756,36 EUR in Anspruch genommen hat.

Im Jahr 2013 führte das Zollfahndungsamt Hannover ein Ermittlungsverfahren gegen verschiedene Personen, unter anderem den Kläger, wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO. Mit Schlussbericht vom 27.03.2014 schloss das Zollfahndungsamt Hannover seine Ermittlungen ab.

Mit Anklageschrift vom 2014 erhob die Staatsanwaltschaft Osnabrück beim Landgericht Osnabrück Anklage unter anderem gegen den Kläger und weitere Angeschuldigte. Die Staatsanwaltschaft warf den Angeschuldigten u.a. vor, gemeinschaftlich durch 3 Straftaten gewerbsmäßig die Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Steuern in großem Umfang verkürzt zu haben.

Im Einzelnen führte die Staatsanwaltschaft Osnabrück in der Anklageschrift hinsichtlich des Klägers folgendes aus:

Mit Urteil des Landgerichts Osnabrück zu Geschäfts-Nr.: … (rechtskräftig seit 2014) wurde der Kläger wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

In dem Urteil führt das Gericht unter anderem folgendes aus:

Im Rahmen der Durchsuchung des von dem Kläger gefahrenen Lkw wurde ein schwarzes Notizbuch bzw. Kalender des Jahres 2013 sichergestellt. In diesem Kalender sind die 3 dem vorliegenden Streitverfahren zu Grunde liegenden 3 Fahrten des Klägers von Kaunas (Litauen) nach Thetford (Großbritannien) festgehalten.

So hat der Kläger für den 02.10.2013 Kaunas und Lodz, für den 3. Oktober Lodz und Grenze, für den 04.10.2013 22:00 Grenze Pl. D., W 6:00, Pause 15:00 weiter, Belgien, Pause, für den 05.10.2013 Belgien, Calais, Fähre, Thetford in seinem Kalender vermerkt.

Für die 2. Fahrt hat der Kläger für den 23.10.2013 Kaunas, Lodz, Pause, für den 24.10.2013 Lodz, Braunschweig, Pause, für den 25 der Oktober 2013 Braunschweig, Polizeikontrolle, W, Gent, Pause, und für den 26.10.2013 6:45 Fähre, Thetford in dem Kalender vermerkt.

Für die 3. Fahrt hat der Kläger in seinem Kalender am 6. November Kaunas und Lodz, am 07.11.2013 Lodz und Wolfsburg, für den 08.11.2013 Wolfsburg und W und für den 11.11.2013 W und Calais vermerkt.

Der Kläger wurde von der britischen Steuer- und Zollbehörde HMRC am 22.01.2014 und am 22.02.2014 zu den 3 dem vorliegenden Streit zugrundeliegenden Fahrten von Kaunas (Litauen) nach Thetford (Großbritannien) vernommen. Im Rahmen der Vernehmungen bestätigte der Kläger die Durchführung der 3 Fahrten und machte darüber hinaus weitere Angaben zu den diesem Fahrten.

Mit Tabaksteuerbescheid vom 11.06.2014 nahm der Beklagte den Kläger auf Tabaksteuer i. H. v. … EUR in Anspruch.

Dabei ging der Beklagte davon aus, dass der Kläger auf den 3 vom Zollfahndungsamt Hannover festgestellten Fahrten nach Großbritannien in den transportierten Heizkesseln jeweils 500.000 Stück Zigaretten transportiert hatte. Dementsprechend setzte er für die am 03.10.2013 in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland verbrachten 4 Millionen Stück Zigaretten Tabaksteuer i. H. v. 595.600,00 EUR, für die am 23.10.2013 in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland verbrachten 3 Millionen Stück Zigaretten 446.700,00 EUR und für die am 07.11.2013 in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland verbrachten 3.300.58...

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