Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit des Mindeststreitwerts und Höhe der Verfahrensgebühr im finanzgerichtlichen AdV-Verfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ist der Streitwert mit 10 % des Streitwerts der Hauptsache anzusetzen. Insoweit gilt der Mindeststreitwert (§ 52 Abs. 4 GKG) nicht, so dass der Streitwert in AdV-Verfahren auch unter 1000 Euro liegen kann.
2. Bezüglich eines finanzgerichtlichen AdV-Verfahrens ist die Gebühr nach Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) mit dem 1,6-fachen Satz und nicht nur mit dem 1,3-fachen Satz zu berechnen (gegen Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 27.4.2005 6 KO 3/05, EFG 2005, 1803).
Normenkette
GKG § 52 Abs. 1, 4, 3 Nr. 3; RVG, Vergütungsverzeichnis Nr. 3100; RVG, Vergütungsverzeichnis Nr. 1008; FGO § 69 Abs. 2-3
Tenor
Auf die Erinnerung vom 23.3.2006 hin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9.3.2006 dahingehend abgeändert, dass die zu erstattenden Kosten auf 119,02 EUR festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Erinnerung abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens werden dem Erinnerungsgegnern zu 82% und den Erinnerungsführer zu 18% auferlegt. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben.
Gründe
Der Erinnerungsführer erstrebt die Herabsetzung der mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9.3.2006 durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle festgesetzten Kosten. Die Urkundsbeamtin hatte in ihrem Beschluss für das Verfahren 3 V 1933/05 die den Antragstellern zu erstattenden Kosten zunächst auf 210,54 EUR festgesetzt. In ihrer Stellungnahme zur jetzigen Erinnerung hält sie jedoch – von einem Streitwert von 514 EUR und einer Auslagenpauschale von 17,10 EUR ausgehend – einen Ansatz von 119,02 EUR für gerechtfertigt.
Der Erinnerungsführer bringt vor, dass nach einer Entscheidung des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 30.9.2005 3 KO 418/05, EFG 2006, 138) klärungsbedürftig sei, ob nicht der Mindeststreitwert zur Anwendung kommen müsse. Ausgehend von dem Mindeststreitwert und einen zehnprozentigen Ansatz hiervon sei lediglich ein Streitwert von 513,80 EUR anzusetzen.
Die Gebühr im Sinne der Nr. 3100 Vergütungsverzeichnis – VV – zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG – sei mit den 1,3fachen Satz und nicht mit dem 1,6fachen Satz zu berechnen. In diesem Sinne habe das Niedersächsische Finanzgericht entschieden (Beschluss vom 27.4.2005 6 KO 3/05, EFG 2005, 1803). Unter weiterer Berücksichtigung des Zuschlages gemäß Nr. 1008 VV RVG müsse die Gebühr insoweit mit dem 1,6fachen Satz berechnet werden.
Die Verfahrensgebühr betrage demnach nicht 161,50 EUR sondern nur 72 EUR. Die 20-prozentige Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte gemäß Nr. 7002 VV RVG reduziere sich aufgrund dessen von 20 EUR auf 14,40 EUR und die Umsatzsteuer von 29,04 auf 13,82 EUR.
Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,
den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 9.3.2006 dahingehend zu ändern, dass die zu erstattenden Kosten auf 100,22 EUR festzusetzen sind.
Die Erinnerungsgegner beantragen,
die Erinnerung abzuweisen.
Die Erinnerungsgegner machen geltend, dass die Erinnerung bereits unzulässig sei. Denn der Erinnerungsführer habe auf Anfrage des Gerichts zum Kostenfestsetzungsantrag vom 14.2.2006 dahingehend Stellung genommen, dass keine Einwendungen erhoben würden. Er sei daher mit allen Einwendungen präkludiert. Sein jetziges Vorbringen sei treuwidrig (venire contra factum proprium).
Im Übrigen gelte auch im Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung der Mindeststreitwert des § 52 Abs. 4 Gerichtskostengesetz – GKG –. Das Niedersächsische Finanzgericht, auf das sich der Erinnerungsführer berufe, habe sich in seinem Beschluss vom 27.4.2005 überhaupt nicht zu dieser Frage geäußert. Ebenso wenig habe sich das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt bisher materiellrechtlich mit dieser Frage mit seinem Beschluss vom 30.9.2005 3 KO 418/05 befasst.
Unzutreffend sei auch, von einem Gegenstandswert von 10% des Hauptsacheverfahrens auszugehen. Denn der Bundesfinanzhof – BFH – habe am 1.3.1977 entschieden, dass der Streitwert des Verfahrens über eine einstweilige Aussetzung der Vollziehung im Regelfall auf 1/3 des Wertes des zugehörigen Hauptsacheverfahrens zu bemessen sei.
Die Verfahrensgebühr sei vorliegend auch nicht lediglich mit dem 1,3-fachen Satz zu berechnen. Aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorbemerkung 3.2.1 Abs. 1 Nr. 1 zu Teil 3, Abschnitt 2 VV/RVG gehe hervor, dass im Verfahren vor dem Finanzgericht der 1,6-fache Satz zu berechnen sei. Das Gesetz treffe an keiner Stelle eine Unterscheidung zwischen Hauptsacheverfahren und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Die gegenteilige Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts sei rechtsirrig und mit dem Wortlaut sowie dem systematischen Zusammenhang des VV/RVG nicht zu vereinbaren.
Die Erinnerung ist zulässig und im Wesentlichen begründet.
Die Erinnerung ist nicht bereits deshalb unzulässig, weil der Erinnerungsführer zunächst keine Einwen...