Entscheidungsstichwort (Thema)
Abwasserbeseitigung durch brandenburgischen Abwasserzweckverband kein Betrieb gewerblicher Art i. S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG. Umsatzsteuer 1992, 1993, 1994, 1995
Leitsatz (amtlich)
Die Abwasserbeseitigung und Abwasserbehandlung war nach den maßgebenden Voraussetzungen im Land Brandenburg in den Jahren 1991 bis 1995 hoheitliche Tätigkeit i. S. des § 4 Abs. 5 KStG. Mit der Errichtung und Verpachtung einer Klaranlage an einen Abwasserzweckverband war eine Gemeinde daher keine – zum Vorsteuerabzug berechtigte – Unternehmerin.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 3 S. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1; UStG 15 Abs. 1 S. 1; KStG § 4 Abs. 4-5; BbgWG § 66 Abs. 1; EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin hatte im Jahr 1992 in ihrem Stadtgebiet mit dem Neubau einer Kläranlage begonnen, welche 1994 fertiggestellt wurde. Im Jahre 1994 gründeten mehrere Gemeinden und die Klägerin den Wasser- und Abwasserzweckverband L.-M., dessen Satzung im Juni 1994 in Kraft trat.
Die Klägerin verpachtet die Kläranlage ab dem 01.09.1994 an den Wasser- und Abwasserzweckverband L.-M. mit einem monatlichen Pachtzins in Höhe von 105.500,– DM. Auf die in dem Ordner III des Beklagten befindliche Satzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes L.-M. sowie den Betriebsführungs- und Verpachtungsvertrag vom 15.07.1994, Bl. 77 der Gerichtsakte, wird verwiesen.
Die Vorsteuer aus den Baukosten für das Klärwerk hatte die Klägerin in ihren Umsatzsteuererklärungen 1992 bis 1995 geltend gemacht. Die Pachteinnahmen hatte sie in den Umsatzsteuererklärungen 1994 und 1995 als Umsätze zu 15 v. H. ausgewiesen.
Anlässlich einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Zeitraum 1992 bis 1997 stellten die Prüferinnen unter Teilziffer 12.2.7. des Prüfungsberichts vom 29.06.1998 fest, die Klägerin habe die Abwasserentsorgung nicht selbst betrieben, sondern dem Wasser- und Abwasserzweckverband L.-M. übertragen. Es handele sich bei der Verpachtung des Klärwerkes und der Abwasserbeseitigung um einen Hoheitsbereich der Klägerin, der keinen Betrieb gewerblicher Art darstelle. Deshalb sei der Pachtzins als nicht steuerbarer Umsatz zu werten. Ein Vorsteuerabzug aus den Baumaßnahmen für das Klärwerk komme nicht in Betracht. Folgende Vorsteuerminderungen bzw. Umsatzminderungen wurden von den Prüferinnen festgestellt:
Kalenderjahr 1992 |
Vorsteuerminderung |
160.474,81 DM |
Kalenderjahr 1993 |
Vorsteuerminderung |
762.056,06 DM |
Kalenderjahr 1994 |
Umsatzminderung |
297.235,00 DM |
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Vorsteuerminderung |
765.888,56 DM |
Kalenderjahr 1995 |
Umsatzminderung |
891.704,00 DM. |
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Vorsteuerminderung |
149.797,28 DM |
Der Beklagte schloss sich den Prüfungsfeststellungen an und erließ geänderte Umsatzsteuerbescheide vom 12.08.1998 für die Kalenderjahre 1992 bis 1995.
Der dagegen erhobene Einspruch blieb erfolglos. Zwar änderte der Beklagte während des Einspruchsverfahrens die Umsatzsteuerfestsetzung für 1992 durch Bescheide vom 23.04.1999 und vom 21.07.1999 und die Umsatzsteuerfestsetzungen 1993 bis 1995 jeweils durch Bescheide vom 23.04.1999. Dies erfolgte jedoch aus Gründen, die nicht mehr streitgegenständlich sind.
Der Beklagte wies in der Einspruchsentscheidung unter anderem darauf hin, dass nach den nationalen Vorschriften des öffentlichen Rechts die Klägerin zur Abwasserbeseitigung im Rahmen der ihr übertragenen hoheitlichen Aufgaben verpflichtet gewesen sei. Dieser Aufgabe habe sie sich auch nicht dadurch entledigen können, dass sie die Abwasserbeseitigung ab 1994 vom Wasser- und Abwasserzweckverband L.-M. habe durchführen lassen. Aus § 4 Abs. 4 Körperschaftsteuergesetz – KStG – i. V. m. § 2 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz – UStG – folge, dass auch durch die Verpachtung der Kläranlage kein Betrieb gewerblicher Art entstehe. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG könne die Klägerin deshalb keine Vorsteuerbeträge für den Bau der Kläranlage abziehen. Gemäß § 66 Abs. 1 Brandenburgisches Wassergesetz – BbgWG – seien die Kommunen nicht nur zur Beseitigung der Abwässer, sondern auch zur Errichtung, Erweiterung bzw. Modernisierung der notwendigen Abwasseranlagen verpflichtet. Es sei daher im Rahmen der Aufgabenübertragung zwecknotwendig gewesen, die Kläranlage, mit der diese hoheitliche Aufgabe durch den Abwasserzweckverband aufgrund der Satzung wahrgenommen werden sollte, an den Pflichtverband zu überlassen. Die Verpachtung der Kläranlage sei damit noch Ausfluss der hoheitlichen Aufgabe der Klägerin und somit nicht umsatzsteuerpflichtig.
Mit der vor dem Finanzgericht des Landes Brandenburg erhobenen Klage gegen die Umsatzsteuerbescheide 1992 bis 1995 macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, der Beklagte habe zu Unrecht die Verpachtung der Kläranlage dem hoheitlichen Bereich ihrer Tätigkeit zugeordnet und den Vorsteuerabzug aus den bezogenen Bauleistungen in diesem Bereich versagt. Denn die Aufgabe der Abwasserentsorgung habe bis zum 30.06.1994 bei der N. Wasserversorgung und Abwasserbehandlung GmbH i. L. gelegen. Mit Wirkung...