Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbständigkeit eines für mehrere Versorgungsunternehmen tätigen Zählerablesers. Einkommensteuer 1998
Leitsatz (redaktionell)
Ein im Rahmen von freien Mitarbeiterverträgen tätiger Zählerableser erwirtschaftet im Einzelfall gewerbliche Einkünfte, wenn er einem gewissen Unternehmerrisiko ausgesetzt ist, weil er als Ableser für mehrere Versorgungsunternehmen in verschiedenen Ablesebezirken eingesetzt ist und mit seinen Mitarbeitern Arbeitsverträge mit festen monatlichen Bezügen abgeschlossen hat.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2, 1 S. 1 Nr. 1; LStDV § 1 Abs. 2 S. 1
Tenor
Der Bescheid über Einkommensteuer 1998 vom 31. Mai 2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2002 wird abgeändert. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Seit Juni 1997 erbringt der Kläger Dienstleistungen der unterschiedlichen Art. Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger im Streitjahr hinsichtlich seiner Leistungen als Zählerableser für ein Stromerzeugungsunternehmen Einkünfte aus gewerblicher oder aus nichtselbstständiger Tätigkeit erzielt hat.
Mit Datum vom 05.06.1997 schloss der Kläger mit dem Regionalzentrum L… eines regionalen Energieversorgungsunternehmen, der Energieversorgung X… AG (X.-AG, im Folgenden: Energieversorgungsunternehmen), das nunmehr in Gestalt der Y… AG (Y…) sich am Markt betätigt, eine als „Freier-Mitarbeiter-Vertrag” überschriebene Vereinbarung, auf deren Einzelheiten der Senat verweist. Nach Nr. 1 des Vertrages übertrug das Energieversorgungsunternehmen ab 09.06.1997 dem Kläger als freien Mitarbeiter die Aufgabe, die Zählerstände im Versorgungsgebiet des Regionalzentrums L… abzulesen und darüber hinaus die vor Ort festgestellten Veränderungen bezüglich der Kunden sowie der vorgefundenen Anlage (Kunden- oder Zählerwechsel und Messstellenhinweise) zu melden. Hierzu erhielt der Kläger eine Einweisung sowie eine Belehrung über Arbeits- und Datenschutz durch die zuständige Abteilung. Für jede erbrachte Zählerablesung sollte der freie Mitarbeiter ein Honorar in Höhe von DM 1,25 im städtischen und DM 1,50 im ländlichen Bereich erhalten, Nr. 2 des Vertrages. Nach Rechnungslegung durch den freien Mitarbeiter wollte das Energieversorgungsunternehmen das Honorar sowie die angefallenen Fahrt- und nachgewiesenen verauslagten Telefonkosten ersetzen. Mit der Zahlung des vereinbarten Honorars sollten alle Ansprüche gegen das Energieversorgungsunternehmen erfüllt sein. Gemäß Nr. 3 des Vertrages sollte der freie Mitarbeiter für die Versteuerung des Honorars sowie für Versicherungen jeglicher Art selbst sorgen. Zur Erfüllung der Arbeitsaufgaben sollten nach Nr. 4 des Vertrages die Ablesebelege wöchentlich entsprechend dem Terminplan übergeben und übernommen werden, weiterhin sollte der freie Mitarbeiter hinsichtlich Qualität und Fertigstellung der von ihm übernommenen Aufgaben nach §§ 631 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches haften. Ausdrücklich sollten die durch den beiderseitig jederzeit kündbaren Vertrag vereinbarten Dienste kein Arbeitnehmerverhältnis begründen (Nr. 5 und 6 des Vertrages).
Im Juni 1997 meldete der Kläger ein Gewerbe an. Die angemeldete Tätigkeit, nämlich Dienstleistungen für Unternehmen, sollte am 09.06.1997 beginnen. Zugleich schloss der Kläger eine Betriebshaftpflicht-, eine Betriebsunfall- und eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Weiterhin wurde der Kläger, den die Bundesversicherungsanstalt als Selbständigen beurteilte, Mitglied in einer privaten Krankenversicherung und bei der Industrie- und Handelskammer.
Im Streitjahr erhielt der Kläger Aufträge zur Stichtagsablesung von zwei weiteren Regionalzentren des Energieversorgers (M… und N…) sowie von den Stadtwerken O…. Im Jahre 1999 kamen Aufträge seitens des P… Wasser- und Abwasserzweckverbands sowie von den Stadtwerken O… für die Monatsablesung bei Sondervertragskunden hinzu. Im Jahr 2000 führte der Kläger darüber hinaus den Betrieb für eine Lottogesellschaft aus. Zwischenzeitlich konnte der Kläger im Jahre 2001 zwei und im Jahre 2002 einen dritten Mitarbeiter einstellen. Im Jahre 2003 beschäftigt der Kläger insgesamt fünf Mitarbeiter auf der Grundlage gewöhnlicher Arbeitsverträge.
Im Jahre 1997 erzielte der Kläger Einnahmen als Interviewer in Höhe von DM 412,00 und erfasste Erlöse seitens des Energieversorgungsunternehmens in Höhe von DM 8.843,50. Im Streitjahr ermittelte der Kläger im Rahmen der Einnahmen-Überschussrechnung hinsichtlich seiner Interviewertätigkeit bei Erlösen in Höhe von DM 5.493,00 und Aufwendungen in Höhe von DM 1.320,96 einen Gewinn aus anderer selbstständiger Tätigkeit in Höhe von DM 4.172,04. Bei seiner Tätigkeit für das Energieversorgungsunternehmen erzielte der Kläger Erlöse ...