Entscheidungsstichwort (Thema)
Erinnerungsverfahren als kontradiktorisches Verfahren. Gerichtskosten bei gleichzeitiger Beantragung von Aussetzung der Vollziehung sowie von Prozesskostenhilfe und späterer Rücknahme der Anträge. Dokumentenpauschale für gerichtliche Kopie zur Durchführung des Schriftsatzaustausches
Leitsatz (redaktionell)
1. Beim einem einen Kostenansatz betreffenden Erinnerungsverfahren handelt es sich um ein kontradiktorisches Verfahren, an dem Kostenschuldner und Staatskasse bzw. Justizkasse als Erinnerungsführer und Erinnerungsgegner beteiligt sind; das gilt auch dann, wenn die Staatskasse keine (Anschluss-)Erinnerung erhoben hat.
2. Bei Kostenrechnungen des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ist Erinnerungsgegner nicht das Finanzamt Dessau-Roßlau (Landeshauptkasse Sachsen-Anhalt), sondern das Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch die Bezirksrevisorin.
3. Hat die Steuerpflichtige beim FG eindeutig sowohl Aussetzung der Vollziehung (AdV) als auch Prozesskostenhilfe für dieses AdV-Verfahren beantragt und anschließend beide Anträge zurückgenommen, so wird für das AdV-Verfahren infolge der Rücknahme eine 0,75-fache Gebühr nach Nr. 6211 des Kostenverzeichnisses zum GKG (KV) auch dann fällig, wenn das Gericht im Beschluss über die Einstellung des AdV-Verfahrens keine Kostenentscheidung getroffen hat und die Steuerpflichtige, eine mittellose Empfängerin von Sozialleistungen, zur Zahlung der Gerichtskosten nicht in der Lage ist. Die Steuerpflichtige ist insoweit als Antragstellerin Kostenschuldnerin.
4. Hat die Steuerpflichtige bzw. ihr Bevollmächtigter die Klage- und Antragsschrift, mit der zwei getrennte gerichtliche Verfahren eingeleitet wurden, dreifach eingereicht (Original mit zwei Kopien), wird je ein Exemplar für die beiden gerichtlichen Akten benötigt, und muss zur Durchführung des Schriftsatzaustausches in beiden Verfahren vom Gericht noch eine zusätzliche Kopie gefertigt werden, so entsteht insoweit eine Dokumentenpauschale nach Nr. 9000 Nr. 1b KV.
Normenkette
GKG § 9 Abs. 2 Nr. 2, § 22 Abs. 1 S. 1, § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 28 Abs. 1 S. 2, § 66 Abs. 1 S. 1; KV Nrn. 6211, 9000 1b; FGO § 77 Abs. 1 S. 3, § 136 Abs. 2
Tenor
Die Erinnerung gegen die Kostenrechnung – 1769-999999-9 – vom 10. November 2017 zum finanzgerichtlichen Verfahren 5 V 00/17 über 33,75 Euro wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Erinnerungsführerin beantragte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 18. Mai 2017 die gerichtliche Anordnung der Aussetzung der Vollziehung des ihr erteilten Bescheides der Familienkasse vom 13. April 2016. Bei dem genannten Verwaltungsakt handelt es sich um einen Abrechnungsbescheid über die noch zu leistende Rückzahlung eines Kindergeldbetrages in Höhe von 558,00 Euro.
Parallel zu dem Antrag auf einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz reichte die Erinnerungsführerin mit einem zweiten anwaltlichen Schriftsatz vom 18. Mai 2017 einen Antrag auf Prozesskostenhilfe ein.
Nach einem richterlichen Hinweis nahm die Erinnerungsführerin den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22. August 2017 und den Prozesskostenhilfeantrag mit anwaltlichem Schriftsatz vom 05. September 2017 zurück.
Mit Beschluss vom 17. September 2017 (Aktenzeichen: 5 V 00/17) stellte das Gericht das gerichtliche Verfahren wegen der Aussetzung der Vollziehung analog § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung ein, da der Antrag zurückgenommen worden war. Einen Ausspruch über die Kosten des Verfahrens enthält der Beschluss nicht.
Mit Kostenrechnung – 1769-999999-9 – vom 10. November 2017 wurde die Erinnerungsführerin für das Antragsverfahren 5 V 00/17 auf die Zahlung von Gerichtskosten in Höhe von 33,75 Euro in Anspruch genommen. Der genannte Betrag errechnet sich nach der mitgeteilten Begründung gemäß den Nrn. 6211 und 9000 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz und unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 55,80 Euro.
Die Erinnerungsführerin hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13. November 2017 Erinnerung gegen die Kostenrechnung vom 10. November 2017 erhoben.
Sie macht geltend, das Verfahren sei beendet worden, ohne dass eine gerichtliche Kostenentscheidung ergangen sei. Fehle es aber an einer Kostenentscheidung, könnten auch keine Kosten erhoben werden. Zumindest müsse eine Gebührenermäßigung nach Nr. 1221 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz berücksichtigt werden. Weiterhin sei erkennbar beabsichtigt gewesen, den Antrag nur unter der Bedingung einzureichen, dass Prozesskostenhilfe bewilligt werde. Die Erinnerungsführerin beziehe staatliche Unterstützungen in Gestalt der sog. Grundsicherung.
Bei Aufnahme der Erinnerung wurde auf Veranlassung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle als Erinnerungsgegner das Finanzamt Dessau-Roßlau – Landeshauptkasse Sachsen-Anhalt – registriert.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat am 30. Januar 2018 entschieden, der Erinnerung nicht abzuhelfen.
Entscheidungsgründe
II.
Über die Erinnerung entscheidet gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes...