Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändungs- und Einziehungsverfügung (Aussetzung der Vollziehung). Pfändbarkeit von Honorarforderungen eines Rechtsanwalts. Örtliche Zuständigkeit für die Vollstreckung von durch die in einem anderen Ort ausgeübte frühere freiberufliche Tätigkeit verursachte Einkommensteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Ernstlich zweifelhaft ist, ob Honorarforderungen aus der früheren Tätigkeit als Rechtsanwalt der Pfändung unterliegen, wenn die Mandanten nicht eingewilligt haben.
2. An der Zuständigkeit des Wohnsitzfinanzamts für die Vollstreckung von Einkommensteuer natürlicher Personen ändert sich auch nichts dadurch, dass die zu vollstreckende Einkommensteuer auf der früheren freiberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt im Bezirk eines anderen Finanzamts beruht.
Normenkette
ZPO § 851 Abs. 1; BRAO § 49b Abs. 4 S. 2; BGB § 183 S. 1; AO 1977 §§ 319, 19 Abs. 1 S. 1, § 26 S. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 16. Februar und 11. März 2004 (Aktenzeichen …) wird bis zum Ablauf eines Monats nach Beendigung des Einspruchsverfahrens ausgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 11.127 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von zwei Pfändungs- und Einziehungsverfügungen.
Der Antragsteller war als Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in … tätig. Er war zuletzt beim Amtsgericht … und beim Landgericht … zugelassen. Er schuldete dem Antragsgegner zum Stichtag 16. Februar 2004 Steuern vom Einkommen und steuerliche Nebenleistungen sowie Kosten der Vollstreckung i.H.v. insgesamt 110.558,31 EUR. Deswegen erließ der Antragsgegner am Stichtag zwei Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, mit denen er zwei Honorarforderungen des Antragstellers aus seiner früheren Tätigkeit als Rechtsanwalt bei dessen ehemaligen Mandanten pfändete und die Einziehung dieser Forderungen anordnete. Am 11. März 2004 erließ der Antragsgegner eine weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügung, mit der er eine weitere Honorarforderung pfändete und ihre Einziehung anordnete. Die rückständigen Steuern vom Einkommen nebst steuerlichen Nebenleistungen sowie die Vollstreckungskosten beliefen sich zu diesem Stichtag auf nunmehr 111.274,41 EUR. In den Drittschuldnererklärungen nach § 316 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) gaben die ehemaligen Mandanten an, der Antragsteller habe keine Forderungen bzw. die Forderungen seien in vollem Umfang unbegründet.
Am 19. März 2004 legte der Antragsteller Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 16. Februar 2004 ein. Zur Begründung führte er aus, der Antragsgegner sei für die Vollstreckung der streitigen Steuerschulden nicht zuständig. Außerdem seien die gepfändeten Forderungen gemäß § 49 b Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) nicht übertragbar und deshalb auch nicht pfändbar.
Der Antragsgegner hat über den Einspruch noch nicht entschieden. Mit Schriftsatz vom 26. April 2004 hat der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide durch das Gericht beantragt.
Zur Begründung seines Antrags führt er aus, er habe zwar derzeit seinen Wohnsitz im Bezirk des Antragsgegners. Damit würde aber nicht dessen Zuständigkeit für Forderungen begründet, welche aus seiner (früheren) Tätigkeit als Rechtsanwalt herrührten. Dafür sei vielmehr das Finanzamt zuständig, in dessen Bezirk er zuletzt seine Tätigkeit als Rechtsanwalt ausgeübt habe.
Als Anlage war dem Antrag eine Kopie eines Schreibens des Antragstellers vom 14. April 2004 beigefügt, mit dem er auch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 11. März 2004 Einspruch einlegt hatte.
Gemäß § 851 Zivilprozessordnung (ZPO) seien Forderungen der Pfändung nur unterworfen, soweit sie übertragbar seien. Die streitigen Pfändungen beträfen jedoch Honorarforderungen, die gemäß § 49 b BRAO nicht abgetreten werden dürften, bevor sie nicht tituliert seien und aus dem Titel zumindest einmal erfolglos vollstreckt worden sei.
Der Antragsgegner hält den vorliegenden Antrag für unzulässig. Die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) seien nicht erfüllt. Der Antragsteller habe bislang keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei ihm, dem Antragsgegner, gestellt. Auch habe zum Zeitpunkt der Antragstellung im vorliegenden Verfahren keine Vollstreckung gedroht, weil er, der Antragsgegner, entsprechend der Antrage des Gerichts im Verfahren 4 V 601/04 bis zur Entscheidung über den dort gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen habe. Dieses Verfahren sei erst mit Beschluss vom 3. Mai 2004, also nach der Stellung des vorliegenden Antrags am 29. April 2004 eingestellt worden.
Entscheidungsgründe
1. Der Antrag ist zulässig.
a) Vorläufiger Rechtsschutz gegen Forderungspfändungen wird durch Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 FGO gewäh...