Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht auf Zinsen des auf dem Arbeitszeitkonto angesparten Guthabens. Einbehaltung von Sozialversicherungsbeträgen ist keine Abgabenangelegenheit. Bindungswirkung fehlerhafter Verweisungsbeschlüsse
Leitsatz (redaktionell)
1. Lässt sich ein Arbeitnehmer beim Eintritt in die Rente sein auf dem Arbeitszeitkonto angespartes Guthaben verzinslich auszahlen, sind von den Zinsen keine Sozialversicherungsbeträge einzubehalten.
2. Die Frage, ob Sozialversicherungsbeiträge von Gehaltszahlungen einzubehalten sind, ist keine Abgabenangelegenheit i. S. d. § 33 Abs. 2 FGO.
3. Das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde, kann die Sache weder an das verweisende Gericht zurück noch an einen weiteren Rechtsweg weiter verweisen. Die Bindungswirkung tritt auch bei einem fehlerhaften Verweisungsbeschluss ein. Lediglich bei extremen Rechtsverstößen kommt eine Rückverweisung in Betracht.
Normenkette
SGB IV §§ 14, 23a, 23b; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; GVG § 17a Abs. 2; EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 20
Nachgehend
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger … EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) seit dem … zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen bei Gehaltszahlungen.
Der Kläger war beim Land … als Lehrer beschäftigt und unterlag den Regelungen des Tarifvertrages in Ausfüllung des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung zur Sicherung von Arbeitsplätzen an allgemein bildenden Schulen …. Das in der Vergangenheit angesparte Arbeitszeitkonto ließ er sich mit Eintritt in die Rente verzinslich auszahlen. Im Rahmen der Gehaltsabrechnung … unterwarf der Beklagte die auszuzahlenden Zinsen dem Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen und zog von den Bruttobezügen zur Abführung an die Sozialversicherungsträger insoweit insgesamt … EUR (Krankenversicherungsbeitrag Arbeitnehmer … EUR, Pflegeversicherungsbeitrag Arbeitnehmer … EUR, Rentenversicherungsbeitrag Arbeitnehmer … EUR, Arbeitslosenversicherungsbeitrag Arbeitnehmer … EUR) ab.
Hiergegen richtete sich der Kläger unter Bezugnahme auf ein Urteil des Arbeitsgerichtes …, und forderte den Beklagten zur Auszahlungen des Betrages zuzüglich Verzugszinsen auf. In dem genannten Urteil wurde der streitidentische Beklagte zu Gunsten des Klägers verurteilt, aus Gehaltszahlungen des Monats … abgeführte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge an den Kläger auszuzahlen.
Nachdem der Beklagte keine Auszahlung vornahm, hatte der Kläger beim Arbeitsgericht … Klage erhoben und vertrat die Ansicht, dass es sich um eine Streitigkeit aus dem Arbeitsrechtsverhältnis handele. Mit Schriftsatz vom …. vertrat der Beklagte demgegenüber die Ansicht, dass es sich ausschließlich um eine Steuerangelegenheit handele und der Rechtsstreit an das Finanzgericht … zu verweisen sei. Die vom Kläger geltend gemachten Zinsen aus Wertguthaben seien Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit, die der Sozial- und Steuerpflicht unterliegen würden.
Mit Beschluss vom … verwies das Arbeitsgericht … nach § 48 Arbeitsgerichtsgesetz in Verbindung mit § 17a Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) den Rechtsstreit an das Finanzgericht … Der Beschluss wurde rechtskräftig.
Beim Finanzgericht wurde der Rechtsstreit zunächst unter dem Aktenzeichen … aufgenommen und sowohl die Prozessführungsbefugnis des Prozessbevollmächtigten des Klägers wie die Zuständigkeit des Finanzgerichtes problematisiert. Der Kläger gab nachfolgend an, dass es sich nach seiner Ansicht nicht um eine lohnsteuerrechtliche Streitfrage handele, sondern ausschließlich die zu hoch abgeführten gesetzlichen Abzüge zur Sozialversicherung im Streit stünden. Er meinte, dass der Sozialrechtsweg maßgeblich sei und übersandte u.a. ein Urteil des Landesarbeitsgerichtes …, in dem der Beklagte bei einem anderen Kläger verurteilt worden war, einbehaltene Entgelte auszuzahlen. Demgegenüber war der Beklagte der Ansicht, dass es sich bei den Zinsen aus Wertguthaben um Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit handele, mithin ausschließlich steuerrechtliche Angelegenheiten betroffen seien und damit der Finanzrechtsweg eröffnet sei.
Am 03. Januar 2008 wurde ein Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. Nachfolgend wurde das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im dort anhängigen Revisionsverfahren … über das Urteil des Landesarbeitsgerichtes … ruhend gestellt. Nach Ergehen des Urteils des Bundesarbeitsgerichts in dieser und vergleic...