Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Weiterbestehen einer Liquidationsgesellschaft und zur Vertretungsbefugnis nach Kündigung einer BGB-Gesellschaft. Schätzung und Zurechnung des Gewinns der Liquidationsgesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch bei Kündigung durch einen Gesellschafter besteht eine BGB-Gesellschaft, die über Vermögen verfügt und daher abgewickelt werden muss, als Liquidationsgesellschaft fort. Dass die Liquidation möglicherweise nicht ordnungsgemäß erfolgte, ändert daran nichts.
2. Hat einer der Kläger seine Mitwirkung an einer ordnungsgemäßen Liquidation der zweigliedrigen GbR verweigert, so bringt er dadurch konkludent zum Ausdruck, dass sich der andere Gesellschafter um die Liquidation der GbR kümmern soll und muss. Dieser kann dann Rechtsgeschäfte mit Wirkung für und gegen die Liquidationsgesellschaft abschließen.
3. Zur Schätzung und zur Zurechnung des Gewinns der GbR auf der Basis einer betriebswirtschaftlichen Auswertung und der für einen Monat abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldung, wenn einer der beiden Gesellschafter angeblich schon aus der GbR ausgeschieden war.
Normenkette
AO § 162 Abs. 1 S. 2; BGB § 730 Abs. 2 S. 1, § 705 ff.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Schätzungsbescheid.
Der Kläger und der mit Beschluss vom 12. Dezember 2002 Beigeladene waren Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts … (im folgenden GbR).
Mangels Steuererklärung schätzte der Beklagte mit einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungsbescheid vom 01. September 1995 die Einkünfte der GbR auf DM 48.000,00 und rechnete jedem der Gesellschafter einen Anteil von DM 24.000,00 zu. Er stützte sich hierbei, wie sich aus dem folgenden Schriftverkehr ergab, auf eine Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 1993, die ein früherer Steuerbevollmächtigter – der Fortbestand der Vollmacht ist im Streit – am 02. Februar 1994 für die GbR abgegeben hatte. Sie enthielt steuerpflichtige Umsätze von netto DM 944.155,00, ferner Vorsteuern in Höhe von DM 151,35.
Gegen den Feststellungsbescheid legte der Kläger am 08. September 1995 Einspruch ein. Er sei bereits im Oktober 1993 aus der GbR ausgeschieden. Der Beigeladene habe im Dezember 1993 die damaligen Beschäftigten der GbR entlassen. Die GbR habe aber schon weit vor Dezember 1993 keine Umsätze mehr erzielt. Möglicherweise habe der Beigeladene Mittel für sich vereinnahmt.
Nach Hinzuziehung des Beigeladenen rechnete der Beklagte unter Beibehalt des Nachprüfungsvorbehalts mit Feststellungsbescheid vom 18. September 1997 die weiterhin auf DM 48.000,00 geschätzten Einkünfte der GbR dem Beigeladenen allein zu, dem Kläger DM 0,00.
Dagegen legte der Kläger am 16. Oktober 1997 wiederum Einspruch ein, den er nicht begründete.
Mit Feststellungsbescheid und fortbestehendem Nachprüfungsvorbehalt vom 01. April 1998 rechnete der Beklagte die weiterhin auf DM 48.000,00 geschätzten Einkünfte wieder dem Kläger und dem Beigeladenen je zur Hälfte zu. Er erläuterte in diesem Zusammenhang, aus einem Schreiben des Klägers vom 22. November 1995 ergebe sich, dass der Kläger wohl bis zum 31. Dezember 1993 Gesellschafter der GbR gewesen sei. Die Besteuerungsgrundlage sei auf Grundlage der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 1993, die der Steuerbevollmächtigte für die GbR abgegeben habe, zu schätzen.
In diesem Schreiben hatte der Kläger ausgeführt, er gehöre seit 1994 nicht mehr zu der Ingenieurgemeinschaft, habe daraus noch nie Einkünfte erhalten und bis 1993 nur seinen Namen als beratenden Ingenieur hergegeben, da er in die Architekten- und Ingenieurkammer des Landes … eingetragen sei. Er habe sein Arbeitsverhältnis zu der Gesellschaft zum Dezember 1993 gekündigt.
Der Kläger legte am 16. April 1998 wiederum Einspruch ein, zu dessen Begründung er eine betriebswirtschaftliche Auswertung des früheren Steuerbevollmächtigten der GbR vom 15. September 1993 vorlegte, wonach die GbR in der Zeit vom 01. Januar bis zum August 1993 mit Verlust gearbeitet habe. Auf diese Auswertung (Bl. 47–58 der Feststellungsakten) wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 FGO ergänzend Bezug genommen.
Der Beklagte zog den Beigeladenen erneut zum Einspruchsverfahren hinzu. Er forderte den Kläger auf, den Gesellschaftsvertrag über die Gründung der GbR, den Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft, die ordentliche Kündigung oder einen Beleg über eine anderweitige Kündigung, einen Nachweis über die Auseinandersetzung der Gesellschafter über das Gesellschaftsvermögen sowie die Aufgabebilanz einschließlich der Gewinn- und Verlustrechnung bei Beendigung der Gesellschaft vorzulegen.
Der Kläger teilte mit, diese Dokumente gebe es nicht. Aufgrund der fehlenden Bereitschaft des Beigeladenen, an einer ordnungsgemäßen Auseinandersetzung mitzuwirken, sei es nie zur Fertigung einer Auseinandersetzungsbilanz gekommen. Die Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 1993 sei ihm unbekannt. Er habe den früheren Steuerbevollmächtigten hierzu nicht beauftragt.
Mit Besc...