Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Abschluss der Erstausbildung mit dem Bachelorabschluss, wenn das Kind von vornherein den Masterabschluss angestrebt hatte
Leitsatz (redaktionell)
1. Da es im Rahmen des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG auf das angestrebte Berufsziel des Kindes ankommt, muss der Tatbestand „Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung” nicht bereits mit dem ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss (z. B. in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang) erfüllt sein.
2. Mehraktige Ausbildungsmaßnahmen sind als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das –von den Eltern und dem Kind – bestimmte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann.
3. Im Streitfall war die Erstausbildung nicht mit dem Erlangen des Bachelorgrades abgeschlossen, da das Kind von vornherein beabsichtigt hatte, ein Masterstudium im selben Studiengang folgen zu lassen. Die zeitliche Lücke zwischen beiden Studiengängen war unschädlich, da die Voraussetzungen für die Teilnahme am Masterstudiengang erst in der Übergangszeit erworben werden konnten.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 32 Ab S. 2, § 63 Abs. 1 S. 2
Tenor
Unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Februar 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. April 2016 wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Kindergeld für L von Oktober 2015 bis April 2016 zu bewilligen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist der Vater der am 16. Dezember 1992 geborenen Tochter L.
L absolvierte nach ihrem Abitur im Jahr 2011 (KiG, Bl. 20) ein duales Studium im Bereich Betriebswirtschaftslehre/Versicherung an der Deutschen Hochschule in Baden-Württemberg. Die Ausbildungsstätte befand sich bei der A-Lebensversicherungs-AG in Saarbrücken (KiG, Bl. 25 ff.). Das Studium schloss ab mit der erfolgreichen Absolvierung der Bachelorprüfung im September 2014 (KiG, Bl. 36 ff., 62). Dementsprechend zahlte die Beklagte dem Kläger Kindergeld bis September 2014. In der Folge arbeitete L als Angestellte bei der A-Lebensversicherungs-AG (KiG, Bl. 61). Mit Bescheid vom 1. September 2014 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes ab Oktober 2014 auf (KiG, Bl. 46 f.).
Am 12. Januar 2016 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Kindergeld (KiG, Bl. 51 ff.). Er gab dabei an, L befinde sich erneut in Ausbildung, und zwar an der Universität des Saarlandes im Masterstudium der Betriebswirtschaftslehre (KiG, Bl. 55). Da L seit 18. September 2014 bei der A-Lebensversicherungs-AG einen Anstellungsvertrag geschlossen hatte (KiG, Bl. 65), lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Januar 2016 (KiG, Bl. 67 f.) die Bewilligung des Kindergeldes für L für den Zeitraum Oktober 2015 bis April 2016 ab.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 31. Januar 2016 Einspruch ein (KiG, Bl. 70 ff.), den die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 5. April 2016 als unbegründet zurückwies (KiG, Bl. 103 ff.).
Am 28. April 2016 hat der Kläger Klage erhoben (Bl. 1).
Der Kläger beantragt (sinngemäß, Bl. 1),
den Bescheid vom 2. Februar 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. April 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Kindergeld für L von Oktober 2015 bis April 2016 zu bewilligen.
Der Kläger macht geltend, L habe von vornherein vor gehabt, ihr Studium mit Erwerb des Mastergrades abzuschließen. Allerdings sei ein unmittelbare Fortsetzung des Studiums nach Erwerb des Bachelorgrades nicht möglich gewesen. Das zum Wintersemester 2015/16 aufgenommene Studium sei als Teil der ersten Berufsausbildung anzusehen, da es im sachlichen Zusammenhang mit dem Studium an der Deutschen Hochschule in Baden-Württemberg stehe. Mithin sei auch die Erwerbstätigkeit von L ohne Bedeutung.
Die Beklagte beantragt (Bl. 19),
die Klage abzuweisen.
L habe mit dem Erwerb des Bachelor-Grades einen Berufsabschluss erlangt. Beim Masterstudium an der Universität des Saarlandes handele es sich um ein Zweitstudium.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Bl. 20, 22).
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und auch begründet. Der ablehnende Kindergeldbescheid ist rechtswidrig. Dem Kläger steht Kindergeld für seine Tochter L für den Zeitraum Oktober 2015 bis April 2016 zu. Der Anspruch auf Kindergeld ist wegen der Erwerbstätigkeit von L im Streitzeitraum nicht ausgeschlossen. L hatte in diesem Zeitraum noch keine erstmalige Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG abgeschlossen.
1. Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V. mit § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ...