Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Bewilligung der Prozesskostenhilfe - Bestimmung des Zeitpunkts der Wirksamkeit
Leitsatz (redaktionell)
- Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass die Landeskasse die rückständigen Gerichtskosten nicht mehr geltend machen kann (entgegen Beschluss des FG Köln vom 7.7.2010 10 Ko 1033/09, EFG 2010, 1642).
- „Rückständig” sind Gebühren und Auslagen, die im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Bewilligung der Prozesskostenhilfe fällig, aber noch nicht bezahlt waren.
- Die Bestimmung des Zeitpunkts der Wirksamkeit der Prozesskostenhilfe ab dem Zeitpunkt der wirksamen Antragstellung ist keine anderweitige Bestimmung des Gerichts i.S.v. § 122 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO.
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 1a; GKG § 6 Abs. 1 Nr. 5; KV Nr. 6110
Tatbestand
Die Erinnerungsführerin erhob am 17.12.2009 Klage und beantragte zugleich Prozesskostenhilfe. In der Klageschrift hieß es, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse werde nachgereicht. Hieran wurde die Erinnerungsführerin mit Schreiben vom 31.3.2010 erinnert.
Nachdem die vorgenannte Erklärung nicht abgebeben worden war, wurde der Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 9.8.2010 abgelehnt.
Mit Schreiben vom 21.9.2010 (Eingang am 1.10.2010) wurde erneut ein Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt, diesmal versehen mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Erinnerungsführerin. Daraufhin wurde mit Beschluss vom 5.10.2010 „für die erste Instanz beginnend am 2.10.2010 Prozesskostenhilfe bewilligt”.
Das Klageverfahren wurde in der mündlichen Verhandlung am 3.2.2011 von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt. Mit Beschluss vom gleichen Tage wurden die Kosten des Verfahrens den Beteiligten je zur Hälfte auferlegt.
Bereits am 11.8.2010 hatte die Oberjustizkasse Hamm eine Rechnung über die (vorläufige) Gebühr nach Nummer 6110 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz übersandt. Diese Rechnung wurde aber in der Folgezeit nicht bezahlt. Mit Schreiben vom 11.11.2010 teilte der Bevollmächtigte der Justizkasse mit, dass die erfolgte Mahnung gegenstandslos sei, nachdem das Finanzgericht die Prozesskostenhilfe bewilligt habe. Dieses Schreiben wurde nach Weiterleitung an das Finanzgericht am 2.12.2010 dahingehend beantwortet, dass die Vorauszahlungsgebühr vor dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Prozesskostenhilfe entstanden und fällig geworden sei, so dass ihre Rechnungsstellung rechtmäßig sei. Der Bevollmächtigte vertrat mit Schreiben vom 15.12.2010 weiterhin den Standpunkt, gem. § 122 der Zivilprozessordnung (ZPO) könnten die rückständigen Gebühren nicht geltend gemacht werden.
Nach Beendigung des Klageverfahrens wurde am 9.3.2011 an Stelle der ersten Rechnung eine zweite Rechnung über 55 Euro erstellt.
Der Bevollmächtigte der Erinnerungsführerin teilte am 30.5.2012 der Justizkasse mit, die Forderungsaufstellung sei nicht nachvollziehbar und eine diesbezügliche Rechnung habe sie nicht erhalten. Daraufhin übersandte das Finanzgericht mit Schreiben vom 21.6.2012 die „Gerichtskostenendrechnung” vom 9.3.2011 und wiederholte die im Schreiben vom 2.12.2010 gegebene Erläuterung. Mit der Bitte um Überprüfung verwies als Antwort darauf der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 27.6.2012 auf die Regelung in § 122 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO. Dieses Schreiben wurde am 10.7.2012 dahingehend beantwortet, dass § 122 ZPO „nur rückständige und künftig (d.h. nach dem Zeitpunkt ab Wirkung der Prozesskostenhilfe) fällig werdende Gerichtskosten” umfasse. Darauf replizierte der Bevollmächtigte der Erinnerungsführerin am 27.8.2012, dass er bitte, sein Schreiben als förmliche Erinnerung zu werten. Dem Bevollmächtigten wurde kurz darauf der Beschluss des Finanzgerichts (FG) Köln vom 7.7.2010 10 Ko 1033/09, Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 1642, mit der Bitte um Überprüfung der Rechtsansicht zur Kenntnis gebracht. Mit Schreiben vom 14.9.2012 hat der Bevollmächtigte seine Rechtsauffassung unter Hinweis auf Literatur und Rechtsprechung nochmals ausführlich erörtert.
Die Erinnerungsführerin beantragt,
die Kostenrechnung aufzuheben.
Die Erinnerungsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Entscheidungsgründe
Die nach § 66 des Gerichtskostengesetzes (GKG) zulässige Erinnerung ist begründet. Als Erinnerung war, wenn nicht schon das Schreiben vom 15.12.2010, so spätestens das Schreiben des Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin vom 27.6.2012 auszulegen.
Die Kostenrechnung ist aufzuheben. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat bewirkt, dass die Landeskasse die rückständigen Gerichtskosten, wozu die hier in Rechnung gestellte Gebühr zählt, nicht mehr geltend machen kann.
Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 122 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO bewirkt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, dass die Landeskasse die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei g...