Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzung der Besteuerungsgrundlagen bei mangelnder Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Beweislastregel, wonach die Finanzbehörde im Fall eines Sachaufklärungsdefizits den Nachteil der Nichtfeststellbarkeit steuerbegründender und steuererhöhender Umstände trägt, kann dann nicht eingreifen, wenn die Beweislastregel mit dem Prinzip der Sphärenverantwortung kollidiert. Liegt nämlich die Ursache für die Unaufklärbarkeit des entscheidungserheblichen Sachverhalts im Einflußbereich des Steuerpflichtigen, so reduziert sich die Besteuerung auf das Beweismaß eines nur vermuteten Sachverhalts.

 

Normenkette

AO 1977 § 162 Abs. 2, § 90 Abs. 1

 

Gründe

Die Antragstellerin ist die Witwe und alleinige Erbin des am 1995 verstorbenen "A", der von Beruf Kesselschmied war und im Oktober 1992 in den Ruhestand getreten ist. Die Antragstellerin ist 1923 geboren. Sie ist seit 1989 schwerbehindert und fast blind.

Spätestens Ende November 1995 wurde dem Antragsgegner (Finanzamt - FA -) infolge einer Mitteilung der "X"bank eG (V.-Bank) bekannt, dass am Todestag des Erblassers bei der V.-Bank folgende Vermögenswerte vorhanden waren:

Girokonto, lautend auf "A" und die Antragstellerin 8.716,00 DM Sparkonto, lautend auf "A" und die Antragstellerin 58.000,00 DM Sparbrief, lautend auf "A" 50.000,00 DM insgesamt also 116.716,00 DM

Im Herbst 1998 führte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Düsseldorf (SteuFa) bei der V.-Bank eine Steuerfahndungsprüfung durch. Bei dieser Gelegenheit fanden die Prüfer bei der V.-Bank einen Überweisungsauftrag, der am 16. November 1993 ausgestellt ist und über 196.593,10 DM lautet. Empfänger dieses Betrages war "S" Konto Nr. 12319 bei der "Q" BLZ "0000000000". Als Verwendungszweck ist angegeben "A 00 581656 UNIPLUSKAPITAL". Als Auftraggeber ist bezeichnet "A". Die

Konto-Nr. des Auftraggebers lautet 9190000017. Die Unterschrift für diesen Auftrag lautet: "A".

Die Union Investment EuroMarketing S. A. in "D" (UnionInvest) richtete für die Antragstellerin und den Erblasser ein Depot ein und bestätigte der Antragstellerin und dem Erblasser am 19. November 1993 in einer Wertpapierabrechnung, sie habe die 196.593,10 DM erhalten und davon 2.488,520 Anteile an dem Fonds UNIONPLUSKAPITAL (LUX) für die Antragstellerin und den Erblasser erworben. In Ertragsmitteilungen vom 15. November 1994, 15. November 1995 und 14. Oktober 1996 gab die UnionInvest der Antragstellerin und den Erblasser die Erträge aus diesen Fondsanteilen mit 15.094,38 DM für 1994, mit 10.585,81 DM für 1995 und mit 11.224,53 DM für 1996 bekannt; sie wies in allen drei Ertragsmitteilungen darauf hin, dass die Kapitalerträge steuerpflichtig seien. Die letzte Zeile auf den Mitteilungen der UnionInvest lautete stets wie folgt: "Einzahlungen für "S" bitte immer an "Q", Konto 12319, BLZ "000000000"."

Die SteuFa bat Ende Oktober 1998 die Antragstellerin um Auskunft, ob und in welcher Höhe für sie Anlagen bei ausländischen Kreditinstituten bestehen oder bestanden haben und ob diese bislang versteuert worden seien und dementsprechende Unterlagen dem FA innerhalb von vier Wochen vorzulegen. Wegen der Einzelheiten und wegen des Hinweises der SteuFa auf die Pflicht der Antragstellerin zur Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts wird auf das Schreiben vom 23. Oktober 1998 nebst Anlagen verwiesen. Mitte Dezember 1998 erinnerte das FA die Antragstellerin an die Erledigung der Aufforderung bis zum 31. Dezember 1998. Das FA erhielt auf beide Schreiben keine Antwort.

Unter Berücksichtigung des Kapitalbestandes am Todestag des Erblassers am 1. April 1995 bei der V.-Bank und der Überweisung am 16. November 1993 von 196.593,10 DM zu Gunsten eines Kontos bei der UnionInvest ging das FA davon aus, dass der Erblasser und die Antragstellerin bereits Ende 1988 Kapitalvermögen von rund 315.000,00 DM besessen hatten und dass die Antragstellerin oder der Erblasser (oder beide gemeinsam) die Einkommensteuern, die auf die Kapitalerträge aus diesem Kapitalvermögen entfielen, und die Vermögenssteuern, die auf dieses Vermögen entfielen, hinterzogen hätten. Dementsprechend schätzte das FA die Einnahmen aus Kapitalvermögen für die Streitjahre auf je 15.000,00 DM und erließ dementsprechend Einkommensteueränderungsbescheide, die es auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) stützte. Außerdem erließ das FA erstmalige Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1989 für die Jahre 1989 bis 1992 und auf den 1. Januar 1993 für die Jahre 1993 und 1994, in denen es das Kapitalvermögen mit jeweils 315.000,00 DM ansetzte. Auf die Steuerbescheide wird verwiesen.

Im Einspruchsverfahren machte die Antragstellerin zunächst geltend: Der Erblasser habe seine Geldgeschäfte ohne Wissen der Familie abgewickelt. Sie - die Antragstellerin - wisse nicht, woher das Vermögen komme. Der Erblasser habe auch die Einkommensteuererklärung stets ohne ihre Mithilfe angefertigt. Ob im Jahr des Eintritts in den Ruhestand der Erblasser eine Lebensve...

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