Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsfähigkeit einer Vollstreckungsgebühr im finanzgerichtlichen Verfahren
Leitsatz (redaktionell)
- Für die anwaltliche Aufforderung, die zugunsten des Klägers eines abgeschlossenen finanzgerichtlichen Verfahrens festgesetzten Kosten nebst Zinsen vor Einleitung einer förmlichen Vollstreckung gemäß § 152 FGO binnen einer Frist von einem Monat zu zahlen, ist keine Vollstreckungsgebühr nach Nr. 3309 RVG-VV erstattungsfähig, weil ein solches Aufforderungsschreiben nicht notwendig i. S. des § 151 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. den §§ 788 Abs. 1, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist.
- Einer Ankündigung der Zwangsvollstreckung durch den Gläubiger bedarf es im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens nach § 152 FGO nicht.
Normenkette
FGO § 151 Abs. 1 S. 1, § 152; ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, § 788 Abs. 1, § 882a Abs. 1 S. 1; RVG-VV Nr. 3309
Tatbestand
Die Erinnerungsführerin focht in dem Klageverfahren 4 K 1460/12 VTa einen Steuerbescheid des Erinnerungsgegners vom 13. Februar 2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. April 2012 an. In der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2012 hob der Erinnerungsgegner den angefochtenen Steuerbescheid auf. Die Beteiligten erklärten daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Das Gericht legte dem Erinnerungsgegner mit Beschluss vom 22. Juni 2012 die Kosten des Verfahrens auf. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die der Erinnerungsführerin vom Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 26. Juli 2012 auf 1.982,60 EUR fest. Der Beschluss wurde dem Erinnerungsgegner ausweislich des hierüber ausgestellten Empfangsbekenntnisses am 27. Juli 2012 zugestellt.
Die Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin forderten den Erinnerungsgegner mit Schreiben vom 15. August 2012 auf, die festgesetzten Kosten nebst Zinsen „vor Einleitung einer förmlichen Vollstreckung gemäß § 152 FGO” binnen einer Frist von einem Monat zu zahlen. Der Erinnerungsgegner wies den mit dem Beschluss vom 26. Juli 2012 festgesetzten Kostenbetrag nebst Zinsen am 20. August 2012 zur Zahlung an die Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin an.
Die Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin beantragten mit Schreiben vom 4. September 2012, eine Vollstreckungsgebühr nach Nr. 3309 des Vergütungsverzeichnisses (VV) der Anlage 1 zum Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) nebst Auslagenpauschale und Zinsen festzusetzen. Dies lehnte die Urkundsbeamtin der Geschäftststelle mit Beschluss vom 29. Oktober 2012 ab, weil ein Vollstreckungsverfahren bei Gericht nicht durchgeführt worden sei. Gebühren für die Vermeidung eines Vollstreckungsverfahrens seien nicht erstattungsfähig.
Hiergegen wendet sich die Erinnerungsführerin mit ihrer Erinnerung. Sie trägt vor: Bei den geltend gemachten Kosten handele es ich um solche eines Vollstreckungsverfahrens und nicht um solche zur Vermeidung eines Vollstreckungsverfahrens. Eine Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung gehöre als vorbereitende Maßnahme zum Vollstreckungsverfahren.
Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Beschlusses der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 29. Oktober 2012 eine Gebühr für die Zahlungsaufforderung vom 15. August 2012 von 47,88 EUR nebst Zinsen festzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die nach § 149 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Erinnerung ist unbegründet. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat den Antrag auf Festsetzung weiterer Kosten von 47,88 EUR zu Recht abgelehnt.
Im Streitfall kann dahinstehen, ob vorbereitende Maßnahmen wie ein anwaltliches Mahnschreiben bereits die Vollstreckungsgebühr nach Nr. 3309 VV RVG auslösen können. Die von der Erinnerungsführerin geltend gemachten Kosten sind jedenfalls deshalb nicht erstattungsfähig, weil das Aufforderungsschreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15. August 2012 nicht notwendig i. S. des § 151 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. den §§ 788 Abs. 1, 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) war.
Die Notwendigkeit von Vollstreckungshandlungen, die Kosten für den Schuldner auslösen, bestimmt sich nach dem Standpunkt des Gläubigers zum Zeitpunkt ihrer Vornahme. Wesentlich dabei ist, ob der Gläubiger bei verständiger Würdigung der Sachlage die Maßnahme zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objektiv für erforderlich halten durfte, wobei dem Schuldner eine nach den jeweiligen Umständen angemessene Frist zur freiwilligen Leistung einzuräumen ist (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18. Juli 2003 IXa ZB 146/03, NJW-RR 2003, 1581).
Dahinstehen kann im Streitfall, ob dem Erinnerungsgegner eine angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der Forderung eingeräumt worden war, bevor die Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin die Zahlungsaufforderung vom 15. August 2012 abgesandt haben. Das Aufforderungsschreiben war jedenfalls deshalb nicht notwendig, weil dieses außergerichtliche Schreiben nicht geeignet war, die Vollstreckung vorzubereiten (vgl. auch Finan...