Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinbarkeit der Neuregelung des § 16 Abs. 2 ErbStG durch das StUmgBG mit dem Unionsrecht
Leitsatz (redaktionell)
Der EuGH wird um eine Vorabentscheidung zu folgenden Fragen ersucht:
Sind die Artikel 63 Absatz 1 und 65 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats über die Erhebung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die hinsichtlich der Berechnung der Steuer vorsieht, dass der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage im Fall des Erwerbs von im Inland belegenen Grundstücken dann, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes und der Erbe zu dieser Zeit ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hatten, niedriger ist als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest einer von ihnen zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im erstgenannten Mitgliedstaat gehabt hätte?
Sind die Artikel 63 Absatz 1 und 65 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats über die Erhebung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die hinsichtlich der Berechnung der Steuer vorsieht, dass Verbindlichkeiten aus Pflichtteilen im Fall des Erwerbs von im Inland belegenen Grundstücken dann, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes und der Erbe zu dieser Zeit ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hatten, nicht abziehbar sind, während diese Verbindlichkeiten vollständig von dem Wert des Erwerbs von Todes wegen abziehbar wären, wenn zumindest der Erblasser oder der Erbe zu dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im erstgenannten Mitgliedstaat gehabt hätte?
Normenkette
ErbStG § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. a, Nr. 3, § 10 Abs. 5 Nr. 2, Abs. 6 S. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 37 Abs. 14; BGB § 2311; AEUV Art. 63 Abs. 1, Art. 65, 267 Abs. 2
Streitjahr(e)
2014, 2015, 2016, 2017, 2018
Nachgehend
Gründe
I.
1. Die Klägerin ist österreichische Staatsangehörige und wohnt seit dem Jahr 2014 in Österreich. Sie ist die Tochter des Erblassers, der ebenfalls österreichischer Staatsangehöriger war und in Österreich wohnte.
2. Der Erblasser war Eigentümer dreier bebauter Grundstücke in Deutschland sowie eines unbebauten Grundstücks in Ratingen bei Düsseldorf.
3. Der Erblasser setzte mit einem von ihm errichteten Testament die Klägerin zu seiner Alleinerbin ein. Seine Ehefrau E und seinen Sohn S setzte er auf einen Pflichtteil. Der Erblasser verstarb am 12. August 2018 in Österreich.
4. Die Klägerin verpflichtete sich nach dem Tod des Erblassers in einem Pflichtteilsübereinkommen, als Alleinerbin an E und S zur Berichtigung ihrer Pflichtteilsansprüche Beträge von .........€ und .......... € zu zahlen. Sie beantragte in ihrer beim beklagten Finanzamt abgegebenen Erbschaftsteuererklärung, die Verbindlichkeiten aus den Pflichtteilen in Höhe von 43 %, mithin in Höhe von insgesamt ............ € von dem Wert ihres Erwerbs von Todes wegen als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Zu diesem Betrag gelangte sie, indem sie den Anteil des der deutschen Erbschaftsteuer unterliegenden Grundvermögens in Deutschland mit einem von ihr ermittelten Wert von ...... € mit 43 % des Werts des gesamten in den Nachlass fallenden Vermögens von ....... € berechnete. Den Wert des nicht der deutschen Erbschaftsteuer unterliegenden Vermögens (Kapitalvermögen und ein Grundstück in Spanien) berechnete sie mit ........ €.
5. Das beklagte Finanzamt setzte gegen die Klägerin Erbschaftsteuer fest. Dabei unterwarf es nur die in Deutschland belegenen Grundstücke der Besteuerung. Den Abzug der Pflichtteile als Nachlassverbindlichkeiten lehnte es ab, weil diese nicht mit den vorgenannten Grundstücken in wirtschaftlichem Zusammenhang stünden. Ferner berücksichtigte es bei der Berechnung der festgesetzten Erbschaftsteuer anstatt eines für Kinder des Erblassers an sich nach § 16 Absatz 1 Nummer 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) vorgesehenen Freibetrags unter Bezugnahme auf § 16 Absatz 2 ErbStG nur einen geminderten Freibetrag.
6. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage, die Erbschaftsteuer herabzusetzen. Ihr stehe der in § 16 Absatz 1 Nummer 2 ErbStG vorgesehene Freibetrag von 400.000 € ungekürzt zu. § 16 Absatz 2 ErbStG widerspreche dem Unionsrecht. Ferner widerspreche es dem Unionsrecht, den Abzug der von ihr zu zahlenden Pflichtteile als Nachlassverbindlichkeiten nicht zumindest anteilig in Höhe des von ihr berechneten Betrags zuzulassen.
7. Das beklagte Finanzamt trägt vor: Gemäß § 16 Absatz 2 ErbStG sei der in § 16 Absatz 1 Nummer 2 ErbStG vorgesehene Freibetrag um einen Teilbetrag zu mindern. Die von der Klägerin zu zahlenden Pflichtteile könnten nach § 10 Absatz 6 Satz 2 ErbStG nicht als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden, weil sie nicht mit einzelnen zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusamme...