Entscheidungsstichwort (Thema)
Wesentlichkeitsgrenze für Anteilsveräußerungen im Privatvermögen - Verfassungsmäßigkeit der Herabsetzung von 10 % auf 1 % durch das StSenkG
Leitsatz (redaktionell)
Die Herabsetzung der Beteiligungsgrenze für die Erfassung von Gewinnen aus Anteilsveräußerungen im Privatvermögen von 10 % auf 1 %durch § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des StSenkG verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Streitjahr(e)
2000, 2001
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob § 17 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz -EStG- i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I 2000, 1433) verfassungsgemäß ist.
Der Kläger ist Gründungsgesellschafter der im Januar 1993 errichteten Fa. A-GmbH mit Sitz in X. Er war zunächst mit 5 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt. Im Zuge einer Kapitalerhöhung und der Umwandlung der GmbH in die A-AG im Jahre 2000 erhöhte sich sein Anteil auf 7 %. Nach weiteren Kapitalerhöhungen in den Jahren 2000 und 2001 sank sein Anteil auf 4,9 %. Er hielt 112.000 von 2.274.200 Aktien.
Mit Treuhandvertrag vom 12.06.2003 räumte der Kläger als Treugeber seinem Bruder, dem Mehrheitsaktionär der AG, eine Treuhand an 62.500 Aktien ein, die diesen auch zum Verkauf der Aktien berechtigte. Durch Vertrag vom 05.08.2003 veräußerte der Bruder des Klägers insgesamt 100.000 Aktien zu einem Preis von 30 EUR pro Aktie. Zu diesem Aktienpaket gehörten 13.000 der treuhänderisch für den Kläger gehaltenen Aktien.
Der Kläger erzielte einen Veräußerungserlös von (13.000 x 30 EUR =) 390.000 EUR. Nach Abzug der Anschaffungskosten von 812,50 EUR ergab sich ein Veräußerungsgewinn von 389.187,50 EUR, den der Beklagte im Einkommensteuerbescheid 2003 vom 27.06.2005 unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens mit 194.593 EUR als Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.v. § 17 EStG erfasste.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger ist der Ansicht, § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz -GG- und sei deshalb verfassungswidrig.
Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl des Steuergegenstandes und der Bestimmung des Steuersatzes werde im Einkommensteuerrecht begrenzt durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürften eines besonderen sachlichen Grundes.
Gegen diese Grundsätze habe der Gesetzgeber durch Schaffung der 1 %-Schwelle in § 17 Abs. 1 EStG verstoßen. Hierdurch hänge die Frage, ob außerhalb der Spekulationsfrist erzielte Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften steuerpflichtig oder steuerfrei sind, von der Größe des Unternehmens ab, in das man investiert habe. Die Steuerpflicht knüpfe nicht an einen absoluten Betrag des Einkommens an, sondern an den Prozentsatz einer Beteiligung. Das Gebot der Belastungsgleichheit sei verletzt, da ein erzielter Gewinn von mehreren tausend Euro bei einer kleinen Kapitalgesellschaft bereits zu einer Steuerpflicht führe, während derselbe Gewinn bei der Investition in eine große Gesellschaft nicht besteuert werde. Die Steuerlast orientiere sich damit nicht an der finanziellen Leistungsfähigkeit des Einzelnen. Wirtschaftlich betrachtet handele es sich bei § 17 Abs. 1 EStG um eine Subventionierung von Investments in Großunternehmen. Dass dies gewollt sei, ergebe sich aber weder aus der Gesetzesbegründung noch aus allgemeinen Aussagen der Politiker, die im Gegenteil immer wieder betont hätten, dass der Mittelstand als sog. Jobmotor besondere Beachtung verdiene.
Der Gesetzgeber habe auch das Gebot der Folgerichtigkeit nicht beachtet. Er habe mit der Neufassung des § 17 Abs. 1 EStG die Besteuerung von Gewinnen aus Beteiligungsveräußerungen nach Ablauf der Spekulationsfrist des § 23 EStG nicht einheitlich und damit nicht folgerichtig verwirklicht. Steuerpflichtige mit gleich hoher Leistungsfähigkeit würden nicht gleich hoch besteuert. Die Änderung des § 17 EStG beruhe allein auf fiskalischen Erwägungen; die Haushaltskonsolidierung sei der alleinige Zweck der Regelung. Ausweislich der Gesetzesbegründung solle die Umgehung des Halbeinkünfteverfahrens verhindert werden. Für die Bevorzugung von Großunternehmen gegenüber mittelständischen Unternehmen gebe es keine Begründung.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 09.03.2011 die Einkommensteuer 2003 auf 70.012 EUR herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält § 17 Abs. 1 EStG für verfassungsgemäß.
Der Beklagte hat am 09.03.2011 einen Änderungsbescheid erlassen, in dem Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.v. § 17 EStG nur noch mit 142.187 EUR erfasst sind. Nicht mehr erfasst ist der Teil des vom Kläger erzielten Gewinns aus der Aktienveräußerung, der auf d...