Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung von Vorverfahrenskosten bei erfolgreichem Einspruch
Leitsatz (redaktionell)
1. Hebt die Familienkasse einen Bescheid über die Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld im Einspruchsverfahren des getrennt lebenden Ehemannes nach Vorlage der Weiterleitungsbestätigung der vorrangig berechtigten Ehefrau auf, so scheidet eine Erstattung der Aufwendungen des Einspruchsführers bereits deshalb aus, weil die Abhilfe auf einer Billigkeitsmaßnahme und nicht auf der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verwaltungsakte beruht.
2. Die Kosten des Vorverfahrens beruhen zudem auf einem erstattungsschädlichen Verschulden des Einspruchsführers, wenn er den Weiterleitungseinwand erstmals im Einspruchsverfahren geltend macht.
Normenkette
EStG § 64 Abs. 2 S. 1, § 77 Abs. 1 Sätze 1, 3
Streitjahr(e)
2002
Tatbestand
Der Kläger bezog Kindergeld für seine Kinder A, B und C. Im August 2002 teilte die Mutter der Kinder dem Beklagten - der Familienkasse - mit, dass die Kinder in ihrem Haushalt lebten, und beantragte die Gewährung von Kindergeld. Die Familienkasse ermittelte, dass der Kläger bereits seit April 2002 aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen war und gab ihm mit Schreiben vom 18.09.2002 die Gelegenheit, sich innerhalb eines Monats hierzu zu äußern, insbesondere im Falle einer Weiterleitung des Kindergelds auf dem beigefügten Vordruck die schriftliche Bestätigung der Kindesmutter einzureichen, dass diese das Kindergeld für den fraglichen Zeitraum erhalten habe. Nachdem sich der Kläger innerhalb der Anhörungsfrist nicht geäußert hatte, hob die Familienkasse mit Bescheid vom 31.10.2002 die Kindergeldfestsetzung rückwirkend ab April 2002 auf und forderte Kindergeld für April bis August 2002 in Höhe von insgesamt 2.310 EUR zurück.
Hiergegen erhob der Kläger, anwaltlich vertreten, Einspruch und trug vor, er habe das Kindergeld für den fraglichen Zeitraum weitergeleitet. Die Familienkasse wies umgehend darauf hin, dass als Beleg für eine Weiterleitung die schriftliche Bestätigung der Kindesmutter vorzulegen sei. Im Dezember 2002 übersandte der Kläger die schriftliche Bestätigung über die Weiterleitung des Kindergelds. Die Familienkasse sah daraufhin von der Rückforderung des Kindergelds für April bis August 2002 ab und teilte dem Kläger mit, seinem Einspruch werde entsprochen; die im Einspruchsverfahren entstandenen Kosten einschließlich der Gebühren und Auslagen der Bevollmächtigten seien nicht zu erstatten, weil sei nicht notwendig gewesen seien.
Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Familienkasse vertrat die Auffassung, der Kläger habe im Streitfall, indem er sich innerhalb der Anhörungsfrist nicht geäußert und die Erklärung über die Weiterleitung erst im Einspruchsverfahren vorgelegt habe, die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen und die Aufwendungen für das Einspruchsverfahren selbst verschuldet; dementsprechend scheide gemäß § 77 Abs. 1 Satz 3 EStG eine Kostenerstattung aus.
Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger trägt vor, er habe den Vordruck mit der Weiterleitungserklärung unmittelbar nach Erhalt von der Familienkasse an die getrenntlebende Ehefrau weitergeleitet, mit der Bitte, den Vordruck auszufüllen und an die Familienkasse zurückzusenden. Da die Ehefrau erklärt habe, sie werde das Weitere veranlassen, habe er die Angelegenheit als erledigt angesehen.
Der Kläger beantragt,
in Abänderung des Ablehnungsbescheids vom 13. Dezember 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2003 die Familienkasse zu verpflichten, die ihm im Einspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 31. Oktober 2002 entstandenen Aufwendungen zu erstatten.
Die Familienkasse beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten im Klageverfahren und die dem Gericht übersandte Kindergeldakte der Familienkasse Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Familienkasse hat die Erstattung von Aufwendungen des Klägers für das Einspruchsverfahren einschließlich der Gebühren und Auslagen der bevollmächtigten Rechtsanwältinnen zu Recht versagt, weil der Kläger hierauf gemäß § 77 Abs. 1 EStG keinen Anspruch hat.
1. Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Familienkasse dem Einspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist. Über ihren Wortlaut hinaus ist die Vorschrift auch auf Einsprüche gegen die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung (BFH-Urteil vom 23. Juli 2002 VIII R 73/00, BFH/NV 2003, 25) und gegen die damit verbundene Rückforderung des Kindergelds anwendbar. „Erfolgreich” ist der Einspruch allerdings nur dann, wenn die Behörde zu Gunsten des Einspruchsführers tatsächlich über den Streitgegenstand des Einspruchsverfahrens entscheidet (zur entsprechenden Problematik der Anwendung des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO bei einer Abhilfe im Klageverfahr...