Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch eines polnischen Saisonarbeiters
Leitsatz (redaktionell)
- Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht eines polnischen Saisonarbeiters mit Familienwohnsitz in Polen nach § 1 Abs. 3 EStG kann nur für die Monatszeiträume eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 b EStG begründen, in denen der Steuerpflichtige die für die fiktive Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG erforderlichen inländischen Einkünfte im Sinne des § 49 EStG erzielt.
- Ob diese im 1. Rechtsgang mit dem BFH-Urteil vom 18.04.2013, BFH/NV 2013, 1554, bestätigte Auslegung des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG eine unzulässige Diskriminierung darstellt, wenn die gesamten Einkünfte (fast) ausschließlich im Tätigkeitsstaat erzielt worden sind, bedarf keiner Entscheidung, da der Kläger im Streitjahr 1/3 seiner Einkünfte im Ausland erwirtschaftet hat.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 3, § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b
Tatbestand
Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Im Streitjahr 2008 lebte er mit seiner nicht erwerbstätigen Ehefrau und seiner am ….2004 geborenen Tochter A in Polen. In den Monaten März bis Juli 2008 arbeitete er bei einem deutschen …betrieb in B-Stadt in abhängiger sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Der Arbeitslohn i. H. v. insgesamt EUR 6.986 brutto wurde ihm monatlich am Ende des jeweiligen Beschäftigungsmonats ausgezahlt. Neben den inländischen Einkünften erzielte der Kläger im Jahr 2008 ausländische Einkünfte i. H. v. EUR 3.404. Vom Finanzamt -FA- C-Stadt wurde er als unbeschränkt steuerpflichtig i. S. des § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes -EStG- behandelt.
Im Mai 2009 beantragte der Kläger die Gewährung von Kindergeld für A unter Hinweis auf an seine Ehefrau gezahlte polnische Familienleistungen i. H. v. PLN 48 monatlich.
Mit Bescheid vom 18.06.2009 setzte die Beklagte Kindergeld für A für die Monate März bis Juli 2008 unter Anrechnung polnischer Familienleistungen in Höhe von monatlich EUR 48 fest.
Dem hiergegen erhobenen Einspruch, der auf Gewährung von ganzjährigem Kindergeld und Korrektur der Anrechnung gerichtet war, entsprach die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 13.08.2009 insoweit, als sie die Anrechnung der polnischen Familienleistungen wegen der offensichtlichen Devisenverwechslung zugunsten des Klägers korrigierte. Im Übrigen wies sie den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13.12.2010 als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass dem Kläger für die Zeit, in der er keiner Beschäftigung im Inland nachgegangen sei, kein Kindergeld zustehe.
Im Wege der Klage (Az. 15 K 206/11 Kg) verfolgte der Kläger sein Begehren, ganzjährig Kindergeld zu erhalten, weiter. Er machte geltend, dass ihn das FA C-Stadt als im gesamten Veranlagungszeitraum 2008 unbeschränkt steuerpflichtig i. S. des § 1 Abs. 3 EStG behandelt habe. Sein Anspruch auf Kindergeld dürfe daher nicht auf die Monate beschränkt werden, in denen er Einkünfte nach § 49 EStG erzielt habe.
Der Senat wies die Klage mit Urteil vom 13.07.2011 ab. Zur Begründung führte er aus, dass es für die Monate Januar, Februar und August bis Dezember 2008 an der Berechtigung des Klägers zum Bezug von Kindergeld fehle. Eine solche könne sich im Streitfall nur aus einer Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtiger i. S. des § 1 Abs. 3 EStG (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) ergeben. Sie scheitere jedoch daran, dass der Zeitraum, in dem Einkünfte i. S. des § 49 EStG erzielt worden seien, den Beginn und das Ende der Kindergeldberechtigung markiere.
Auf die Revision des Klägers hin hob der Bundesfinanzhof -BFH- die Entscheidung des Senats mit Urteil vom 18.04.2013 (Az. VI R 70/11) auf und verwies die Sache an das Finanzgericht -FG- zurück. Der BFH folgte dem Senat in der Rechtsauffassung, dass ein Anspruch auf Bewilligung von Kindergeld nur für die Monate bestehe, in denen der Kläger im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Einkünfte i. S. des § 49 i. V. m. § 1 Abs. 3 EStG erzielt habe. Es müssten jedoch weitere Feststellungen zur Behandlung des Klägers als unbeschränkt steuerpflichtig durch das FA und zum Zeitpunkt des Zuflusses seiner Einkünfte getroffen werden.
Im weiteren Klageverfahren hat der Kläger u. a. eine Bescheinigung des FA C-Stadt vorgelegt, gemäß der er für den Veranlagungszeitraum 2008 als unbeschränkt steuerpflichtig i. S. des § 1 Abs. 3 EStG behandelt worden sei. Zudem hat er bestätigt, dass ihm die inländischen Einkünfte in den Beschäftigungsmonaten, und zwar jeweils am Ende des Monats, zugeflossen seien.
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Entscheidung des BFH im Revisionsverfahren der Dogmatik des nationalen Steuerrechts widerspreche, denn § 1 Abs. 3 EStG kenne keine abschnittsweise Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig. Zudem habe der BFH – wie schon in seinem Urteil vom 24.10.2012 V R 43/11, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2013, 491 – Gemeinschaftsrecht missachtet. Nach den in den Rechtssachen Luijten, Bosmann, Schwemmer sowie Hudzinski und W...