Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für eine homologe künstliche Befruchtung der Ehefrau als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
Aufwendungen für eine homologe künstliche Befruchtung der Ehefrau, die aufgrund der Zeugungsunfähigkeit des Ehemannes entstehen, stellen bei gemeinsamer Veranlagung der Ehegatten als außergewöhnliche Belastungen abziehbare Kosten einer Heilbehandlung dar.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1; SGB V § 27a
Tatbestand
Streitig ist der Abzug von Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG).
Die ungewollt kinderlosen Kläger entschlossen sich 1999 zu einer künstliche Befruchtung. Bei der Klägerin bestanden keinerlei Sterilitätsursachen. Ursache für die Kinderlosigkeit war eine Hodenatrophie beim Kläger. Ein Therapieversuch hatte keine wesentliche Verbesserung ergeben. Die Kläger entschieden sich für eine Kinderwunschbehandlung unter Zuhilfenahme der In-vitro-Fertilisation (IVF) durch eine intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Dabei sollte gewährleistet werden, dass die Eizelle der Klägerin mit den Spermien ihres Ehemannes, des Klägers, befruchtet wird. Die dafür entstandenen Kosten bei der Klägerin für die Vordiagnostik, für die Hormonstimulation, für die Eizellenentnahme und für den Embryonentransfer sowie für die Durchführung der Mikroinjektion der Spermien in die Eizelle betrugen im Veranlagungszeitraum 2000 insgesamt 17.912,04 DM (vgl. Aufstellung Bl. 11). Die Krankenkasse lehnte die Übernahme der Kosten wegen medizinischer Bedenken gegen die gewählte Methode ab. Seit dem 1. Juli 2001 werden die Kosten für solche Therapien im Anschluss an ein Urteil des Bundessozialgerichts von den Krankenkassen übernommen.
Die Kläger machten die Aufwendungen im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2000 als außergewöhnliche Belastungen geltend. Der Beklagte lehnte die Anerkennung der Kosten ab und erließ am 9.7.2001 einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2000. Den dagegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 4.6.2002 als unbegründet zurück. Dagegen richtet sich die Klage vom 3.7.2002, mit der die Kläger vortragen:
Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in bestimmten Fällen die Kosten für eine künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastungen steuerlich anerkannt. Dies müsse auch für die von ihnen aufgewandten Kosten gelten. Ihnen seien zwangsläufig Aufwendungen dadurch entstanden, da sie zunächst nicht in der Lage gewesen seien, ohne medizinische Hilfe eine Familie zu gründen. Die Tatsache, dass der Ehemann zunächst nicht in der Lage gewesen sei, ein Kind zu zeugen, könne nicht dazu führen, dass die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen seien. Die Befruchtung sei nicht durch den Samen eines Dritten bewirkt worden. Es seien alle medizinischen Möglichkeiten genutzt worden, damit die Ehefrau mit dem Samen ihres Ehemannes habe befruchtet werden können.
Die Kläger beantragen,
die Aufwendungen für die künstliche Befruchtung in Höhe von 17.912,04 DM unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids 2000 vom 9.7.2001 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor:
Zwar habe der BFH in seiner Entscheidung vom 18.6.1997 die Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung bei einer Sterilität der Ehefrau als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Im Streitfall sei jedoch der Kinderwunsch durch die Zeugungsunfähigkeit des Ehemannes erschwert worden. In seinem Urteil vom 18.5.1999 habe der BFH ausdrücklich die Aufwendungen für eine heterologe Befruchtung der Ehefrau infolge organisch bedingter Sterilität des Ehemannes nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Zwar liege im Streitfall eine homologe Befruchtung vor. Der Streitfall sei aber gleichwohl mit dem Urteil vom 18.5.1999 vergleichbar, weil in beiden Fällen die geltend gemachten Aufwendungen nicht unmittelbar den Mann, in dessen Person die Zeugungsunfähigkeit begründet sei, beträfen. Damit liege keine Personenidentität zwischen kostenverursachender und bedürftiger Person vor. Insbesondere fehlten auch gesicherte Erkenntnisse, dass die seelische Belastung infolge Kinderlosigkeit zu einer psychischen Erkrankung der Ehefrau führen könne.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die Aufwendungen für die künstliche Befruchtung sind außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG, die die Kläger im Rahmen der zumutbaren Belastungen steuermindernd geltend machen können.
Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhält...