Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrechtliche Stellung des Finanzamtes im Insolvenz-Feststellungsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
- Nach Aufnahme des durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreits wegen einer Haftungsforderung durch das Finanzamt wandelt sich das Anfechtungsverfahren kraft Gesetzes in ein Insolvenz-Feststellungsverfahren.
- Gegenstand dieses Verfahrens ist nicht die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides, sondern die Beseitigung des Widerspruchs durch Feststellung der im Prüfungstermin geltend gemachten Forderung zur Tabelle. Dieses Klageziel verfolgt die ursprünglich beklagte Finanzbehörde nunmehr als Kläger.
- Das Finanzamt hat in diesem Verfahren weiterhin die Möglichkeit, dem Widerspruch des Insolvenzschuldners durch eine Feststellungsklage die Wirkung zu nehmen, um nach Abschluss des Insolvenzverfahrens aus dem Tabellenauszug zu vollstrecken.
- Da Kommanditisten grundsätzlich nicht mit ihrem Privatvermögen haften, ist es für die Begründung der Haftung gemäß § 74 AO erforderlich, dass die Bereitstellung des Gegenstandes nicht nur von untergeordneter Bedeutung sein darf. Vielmehr muss die Verwirklichung des Steuertatbestandes dem Gesellschafter aufgrund eines wesentlichen Beitrages zurechenbar sein.
- Die Voraussetzungen des Haftungstatbestandes „Überlassen des Gegenstandes” und „wesentliche Beteiligung” müssen nur bei Entstehen der betrieblichen Steuerschulden, nicht aber bei Inanspruchnahme des Haftungsschuldners vorgelegen haben.
Normenkette
InsO § 178 Abs. 1, § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2, § 184 S. 2, § 185 S. 1, § 201 Abs. 1 S. 2; AO §§ 74, 251 Abs. 2 S. 2; ZPO § 201 Abs. 2, § 240 S. 1
Streitjahr(e)
1999, 2000
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob das Finanzamt als Kläger zu Recht einen Haftungsanspruch gemäß § 74 Abgabenordnung (AO) gegen den Beklagten zu 2 (Herrn C) für Steuerschulden der Firma C- GmbH & Co. KG zur Insolvenztabelle angemeldet hat.
Der Beklagte zu 1 ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten zu 2 (Herrn C). Der Beklagte zu 2 (Herr C) betrieb unter der Firma C…ein Einzelunternehmen. Gegenstand des Unternehmens war die Verpachtung von Betriebsgrundstücken und Maschinen sowie die Überlassung von Patenten, Lizenzen und Know-how im Rahmen der von ihm beherrschten C-Gruppe. Die C-Gruppe, der zahlreiche Unternehmen in der Rechtsform der Kapital- bzw. Personengesellschaft im In- und Ausland angehörten, war als Zulieferer…tätig.
Zu den Gesellschaften der C-Gruppe gehörte auch die C-GmbH & Co. KG (im Weiteren: KG), an der der Beklagte zu 2 (Herr C) als Kommanditist zu 100 % beteiligt war. Über das Vermögen der KG wurde wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung am 08.11.2000 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Beklagte zu 2 (Herr C) hat mit der KG am 10.08.1995 einen Pachtvertrag über die Grundstücke mit Geschäfts-, Fabrik- und anderen Bauten in N-Stadt, T-Str. 1-3, 9 und 11 sowie über die Maschinen und maschinellen Anlagen, die Betriebs- und Geschäftsausstattung und den Fuhrpark abgeschlossen. Die Verpachtung erstreckte sich auch auf die von dem Beklagten zu 2 (Herrn C) in Zukunft zu erwerbenden Gegenständen des Sachanlagevermögens. Wegen der Einzelheiten des Pachtvertrages wird auf Blatt 76 ff. der FG-Akte 11 K 3350/02 H Bezug genommen. Der jährliche Pachtzins belief sich auf 840.000,00 DM netto. Neben dem Pachtzins war die jeweils gültige Umsatzsteuer zu bezahlen.
Mit Haftungsbescheid vom 08.11.2000 nahm das Finanzamt den Beklagten zu 2 (Herrn C) nach vorheriger Anhörung gemäß § 69 AO und § 74 AO für Steuerrückstände der KG in Anspruch. Die Haftungssumme betrug 2.350.693,62 DM. Sie setzte sich zusammen aus Umsatzsteuer-Vorauszahlungen Juni 1999, Juli 1999, August 1999, September 1999, Oktober 1999, Dezember 1999 und Januar bis August 2000 sowie Zinsen und Verspätungszuschlägen. Wegen der Einzelheiten der Steuerforderungen wird auf die Anlage zum Haftungsbescheid Bezug genommen. Zur Begründung der Haftungsinanspruchnahme gemäß § 74 AO führte das Finanzamt aus, dass es, da der Beklagte zu 2 (Herr C) die Schreiben vom 24.08.2000 und 28.09.2000 nicht beantwortet habe, auf Grund seiner sich aus den Akten ergebenden Kenntnisse zu entscheiden habe. Daraus ergäbe sich, dass der Beklagte zu 2 (Herr C) zu mehr als 25 % an der KG beteiligt und Eigentümer der Grundstücke T-Str. 1-3, 9 und 11 sei, welche der KG in vollem Umfang seit Beginn des Unternehmens bis zum heutigen Tage dienten. Die Grundstücke stellten wesentliche Betriebsgrundlagen der KG dar. Da die Haftung gemäß § 74 AO auf Betriebssteuern beschränkt sei, hafte der Beklagte zu 2 (Herr C) gemäß § 191 AO i. V. m. § 74 AO für einen Betrag von 2.235.136,62 DM. Eine Inanspruchnahme der KG selbst habe nicht zum Erfolg geführt. Das Finanzamt halte es deshalb für ermessensgerecht, den Beklagten zu 2 (Herrn C) als die für die Nichtzahlung ver...