Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines in die polnische landwirtschaftliche Sozialversicherung eingegliederten Selbstständigen auf Gewährung deutschen Kindergeldes

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Anspruch eines als nicht sozialversicherungspflichtiger Selbständiger in Deutschland tätigen polnischen Staatsbürgers mit Familienwohnsitz in Polen auf deutsches Kindergeld wird durch das europäische Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen, wenn er aufgrund seiner in Polen ausgeübten selbständigen Tätigkeit als Nebenerwerbs-Landwirt weiterhin in der polnischen Sozialversicherung für Landwirte sozialversichert ist und damit dem persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 unterfällt.

 

Normenkette

EStG § 62; VO (EWG) Nr. 1408/71 Art. 1 Buchst. a, Art. 4 Abs. 1 Buchst. h, Art. 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Buchst. b; VO (EWG) Nr. 1408/71 Anhang I Teil I Buchst. D; AO § 90 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

2005, 2006

 

Tatbestand

Der Kläger, ein polnischer Staatsbürger, beantragte im März 2005 bei der Beklagten, der Familienkasse, die Gewährung von Kindergeld für seinen Sohn (geboren im September 1995). Er erklärte, der Sohn lebe zusammen mit seiner Mutter, der Ehefrau des Klägers, am Familienwohnsitz in Polen. Die Ehefrau sei dort am Krankenhaus als Ärztin nichtselbständig beschäftigt. Der Kläger selbst ist – nach eigener Darstellung als Landwirt selbständig erwerbstätig (bzw. erwerbstätig gewesen). In Deutschland ist er nicht sozialversichert. Weiterhin legte er ein Formular E 411 vor, worin die zuständige polnische Behörde bestätigt, dass dort kein Anspruch auf Familienleistungen bestehe, weil der Lohn der Ehefrau zu hoch sei. Daraufhin gewährte die Familienkasse dem Kläger (ungekürztes) Kindergeld für ab Februar 2005.

Im Oktober 2006 bat die Familienkasse den Kläger um Auskunft, ob er in Deutschland sozialversicherungspflichtig sei. Nachdem die Anfrage unbeantwortet blieb, hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung gemäß § 70 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes – EStG – ab November 2006 auf, weil der Kläger weiterhin den polnischen Rechtsvorschriften unterliege (Bescheid vom 27. Oktober 2006).

Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Er trug vor, die Begründung für die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung sei nicht nachvollziehbar. Die Familienkasse wies den Einspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, die Konkurrenz zwischen den Kindergeldansprüchen verschiedener Mitgliedsstaaten der Europäischen Union werde gelöst durch Art. 76 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu– und abwandern (konsolidierte Fassung, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. L 28 vom 30.01.1997, S. 1) – im Folgenden: VO Nr. 1408/71 und Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21.3.1972 über die Durchführung der VO Nr. 1408/71 (konsolidierte Fassung, ABlEG Nr. L 28 vom 30.01.1997, S. 1) – im Folgenden: DVO Nr. 574/72. Im Streitfall falle der Kläger nicht in den Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71, weil er in Deutschland nicht in einem gesonderten Alterssicherungssystem der Selbständigen oder in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sei. Da das Kind in Polen lebe, sei unter diesen Umständen der Kindergeldanspruch der Ehefrau im Wohnland vorrangig (Einspruchsentscheidung vom 10. April 2007).

Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger trägt vor, er sei als selbständiger Trockenbauer in Deutschland tätig und habe hier einen Wohnsitz. Er erziele gewerbliche Einkünfte (5.213 EUR in 2005 und 10.815 EUR in 2006) und sei in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Damit stehe ihm deutsches Kindergeld zu; dieser Anspruch werde durch Art. 10 Abs. 1 DVO Nr. 574/72 bestärkt. Auf die Anfrage der Familienkasse und des Gerichts, ob der Kläger weiterhin in Polen sozialversichert ist (bei der KRUS oder der ZUS), hat der Kläger geäußert, seine Tätigkeit als Landwirt habe er vor Beginn seiner Tätigkeit in Deutschland aufgegeben, so dass seine Versicherung in der KRUS geendet habe; auch in Deutschland sei er nicht sozialversichert. Das Gericht hat den Kläger schließlich gemäß § 79 b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO aufgefordert dazulegen und durch Belege nachzuweisen, in welchem Zeitraum er in der KRUS sozialversichert (gewesen) sei. Daraufhin hat der Kläger eine Bescheinigung vorgelegt, dass er seit dem 30.03.2005 keiner Versicherung bei der ZUS unterliege. Ergänzend trägt er vor, es komme nicht darauf an, ob er jemals in Polen als Landwirt selbständig tätig sei, noch ob er in der KRUS oder der ZUS sozialversichert sei. Er sei in Deutschland einkommensteuerpflichtig – damit stehe ihm deutsches Kindergeld zu.

Der Kläger beantragt,

den Aufhebungsbescheid vom 27.10.2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.04.2007 mit der Maßgabe aufzuheben, ihm ab November 2006 weiterhin Kindergeld für seinen Sohn zu gewähren.

Die Familienkasse beantragt,

die K...

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