Entscheidungsstichwort (Thema)
BGH-Grundsatz (BGHZ 61, 385) zur Ermittlung der Zugewinnausgleichsforderung gilt auch für die Erbschaftsteuer. Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes bei Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs
Leitsatz (redaktionell)
- Die nicht als erbschaftsteuerlicher Erwerb geltende Zugewinnausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten ist nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu ermitteln.
- In Anwendung der Rechtsprechung des BGH sind dabei das Anfangsvermögen und die diesem hinzuzurechnenden Vermögensgegenstände unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes anzusetzen, damit nicht ein aus der Unterbewertung des Anfangsvermögens folgender scheinbarer Vermögenszuwachs steuermindernd berücksichtigt wird.
- Die Änderung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften ab dem 31.12.1998 begründet keinen Vertrauensschutz bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung.
Normenkette
ErbStG §§ 3, 5 Abs. 1; BGB § 1371 Abs. 1, § 1374 Abs. 2, § 1376 Abs. 1; AO §§ 163, 227; ErbStR 1998 R. 11 Abs. 3 S. 3
Streitjahr(e)
2000
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ist die Erbin der im Verlaufe des Klageverfahrens verstorbenen Klägerin A. Diese war seit dem 24. August 1970 mit dem am 9. Januar 2000 verstorbenen Erblasser B verheiratet, den sie auf Grund notariellen Testaments vom 27. Oktober 1997 allein beerbt hat. A und der Erblasser lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft.
In ihrer Erbschaftsteuererklärung vom 3. Juli 2000 ermittelte A eine fiktive Zugewinnausgleichausgleichsforderung von 25.491.331 DM. Das Anfangsvermögen des Erblassers bestand hiernach aus seiner Rechtsanwaltspraxis mit einem Wert von 89.688 DM und einem Festgeldguthaben von 1.000.000 DM. Dem rechnete sie einen Erbanteil an dem Nachlass der vorverstorbenen Mutter des Erblassers mit 2.339.386 DM sowie einen Erbanteil an dem Nachlass seines vorverstorbenen Vaters mit 24.186.195 DM hinzu. Ihr eigenes Anfangsvermögen gab sie mit 63.460 DM an.
Mit Bescheid vom 2. August 2000 setzte das beklagte Finanzamt gegen A Erbschaftsteuer fest. Dabei sah es lediglich eine fiktive Zugewinnausgleichsforderung von 9.595.307 DM nicht als Erwerb von Todes wegen an. Zu diesem Betrag gelangte es, indem es die Anfangsvermögen der Ehegatten sowie das gemäß § 1374 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) hinzuzurechnende Vermögen unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwunds mit höheren als den in der Erbschaftsteuererklärung angegebenen Werten ansetzte.
Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch machte A geltend: Es gebe keine gesetzliche Grundlage für die Berücksichtigung des Kaufkraftschwunds bei der Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung. Die Bezugnahme in § 5 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) auf Bestimmungen des BGB könne nicht auch als Verweisung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) verstanden werden, die zudem im Schrifttum abgelehnt werde. Die Finanzverwaltung habe mehr als zwanzig Jahre gewartet, bis sie die Rechtsprechung des BGH als maßgeblich angesehen habe. Die durchgängige Einführung der Berücksichtigung des Kaufkraftschwunds bei der Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung durch die Erbschaftsteuer-Richtlinien vom 21. Dezember 1998 (BStBl I Sondernummer 2/1998) (ErbStR) stelle eine so weitgehende Rechtsänderung für den Steuerpflichtigen dar, dass sie nicht ohne gesetzliche Grundlage habe ergehen dürfen. Eine Abweichung von dem im Steuerrecht geltenden Nominalprinzip habe nicht durch eine bloße Verwaltungsvorschrift angeordnet werden können. Darüber hinaus sei die Rechtsprechung des BGH zum Scheidungsrecht ergangen. Dort bestehe eine andere Interessenlage als im Erbschaftsteuerrecht, wo es nicht um einen Interessenausgleich gleichberechtigter Personen gehe. Jedenfalls könne der Kaufkraftschwund nicht undifferenziert berücksichtigt werden. Es sei vielmehr die tatsächliche Wertentwicklung der einzelnen Wirtschaftsgüter zu beachten.
Nachdem das beklagte Finanzamt die Erbschaftsteuer mit Bescheid vom 27. Juni 2002 neu auf 18.124.320 DM festgesetzt hatte, setzte es sie mit Einspruchsentscheidung vom 17. April 2003 anderweitig auf 18.712.560 DM (= 9.567.580 €) fest und wies den Einspruch zurück. Dabei sah es eine fiktive Zugewinnausgleichsforderung von 9.758.192 DM nicht als Erwerb von Todes wegen an. Zur Begründung führte es aus: Die Ermittlung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung habe nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen. Deshalb sei auch der Kaufkraftschwund zu berücksichtigen, wie dies der Rechtsprechung des BGH entspreche. Eine Bindung an die zuvor in den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10. März 1976 (BStBl I 1976, 145) verlautbarte Rechtsauffassung bestehe nicht. Die Finanzverwaltung könne ihre in Verwaltungsvorschriften veröffentlichte Rechtsauffassung ändern, ohne gegen den Grundsatz von Treu und Glauben zu verstoßen.
A hat am 22. Mai 2003 Klage erhoben und ist am 30. Jul...