Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für eine Aussetzung der Überlassung nach Art. 13 Abs. 1 VO 1383/2003/EG

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Befugnisse der Zollbehörden zur Aussetzung der Überlassung von zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldeten Waren wegen des Verdachts einer Markenrechtsverletzung sind an die unmittelbare und erfolgreiche Geltendmachung der Rechte geistigen Eigentums durch den jeweiligen Rechteinhaber vor den Zivilgerichten geknüpft.
  2. Damit entfällt der Grund für die Aussetzung der Überlassung, wenn das zuständige Landgericht die von der Markenrechtsinhaberin zunächst erwirkte einstweilige Verbotsverfügung, die Marke zur Kennzeichnung der Waren zu benutzen und die Waren unter diesem Zeichen einzuführen, mit rechtskräftig gewordenem Endurteil aufgehoben hat.
 

Normenkette

ZK Art. 73; VO (EG) 1383/2003 Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1, Art. 10 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1; GVG § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c; ZPO §§ 925, 936

 

Streitjahr(e)

2009

 

Tatbestand

Am 25.03.2009 beantragte die Klägerin beim Zollamt des Beklagten (Zollstelle) die Überführung einer aus 64 Kartons bestehenden Sendung Kosmetiktaschen aus Spinnstoffen in den zollrechtlich freien Verkehr. Die Kosmetiktaschen waren auf einem Anhänger mit ihrer Marke versehen, die aus einer Verbindung der Großbuchstaben…und…in einer Schriftart mit ausgeprägten Serifen bestand. Unter der Buchstabenverbindung befand sich in deutlich kleinerer Schrift die Angabe „...”.

Die Zollstelle setzte am 25.03.2009 die Überlassung der Waren nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22.07.2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen (ABl. EU Nr. L 196/7) – VO 1383/2003 – aus. Dazu führte die Zollstelle aus, es bestehe der Verdacht, dass die Marke „A” verletzt sei. Zugleich unterrichtete die Zollstelle die Rechteinhaberin, die A, durch ihre Rechtsvertreter in Deutschland, die Rechtsanwälte M in X. Die Rechteinhaberin hatte bereits zuvor einen Antrag nach Art. 5 Abs. 1 VO 1383/2003 auf Tätigwerden der Zollbehörden gestellt.

An 26.03.2009 übersandte die Zollstelle den Vertretern der Rechteinhaberin eine Kosmetiktasche der Sendung als Warenmuster.

Dagegen legte die Klägerin am 01.04.2009 Einspruch ein und erklärte zugleich, der Vernichtung der Waren unter zollamtlicher Überwachung ausdrücklich zu widersprechen. Weiter führte sie aus, sie verfüge über eine eigene Marke, gegen deren Eintragung am…2008 durch das Deutsche Patent- und Markenamt die Rechteinhaberin keine Einwände erhoben habe.

Am 03.04.2009 teilte die Rechteinhaberin der Zollstelle mit, dass sie die vereinfachte Vernichtung nach Art. 11 VO 1383/2003 beantrage, die deswegen angeschriebene Klägerin aber nicht reagiert habe. Zugleich gab die Rechteinhaberin das Warenmuster zurück.

Mit Einspruchsentscheidung vom 03.04.2009 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, da die Voraussetzungen eines Tätigwerdens nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 VO 1383/2003 vorlägen. Die angemeldeten Waren stünden im Verdacht, ein Recht geistigen Eigentums zu verletzen, da das von der Klägerin verwendete Logo dem von der Rechteinhaberin zum Verwechseln ähnlich sehe.

Am 08.04.2009 beantragte die Rechteinhaberin beim Landgericht X (LG) eine einstweilige Verfügung, mit der der Klägerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt werden sollte, ihre Marke u.a. zur Kennzeichnung von Kosmetiktaschen zu benutzen und insbesondere unter diesem Zeichen einzuführen. Am 15.04.2009 erließ das LG einen stattgebenden Beschluss, 18 O 104/09. Auf den Widerspruch der Klägerin hob das LG mit Urteil vom 15.05.2009, 3-12 O 65/09, die einstweilige Verfügung auf. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Wortlaut des rechtskräftig gewordenen Urteils verwiesen.

Sodann übersandte die Rechteinhaberin dem Beklagten die Ablichtung einer Klageschrift vom 03.07.2009 für ein Hauptsacheverfahren vor dem LG, in dem der Klägerin u.a. die Nutzung ihrer Marke untersagt werden sollte. Diese Klage wurde der Klägerin nach ihren Angaben bis zur mündlichen Verhandlung noch nicht zugestellt.

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 25.03.2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.04.2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 25.03.2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.04.2009 ist nach § 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung FGO aufzuheben, da er rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt.

Selbst wenn zugunsten des Beklagten davon ausgegangen wird, dass seine Zollstelle nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 VO 1383/2003 festgestellt hat, die von der Klägerin zur Überführung in den zollrechtlich fr...

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