Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anzeige-/Berichtigungspflicht des Erben bei Fund von (weiteren) Nachlassgegenständen
Leitsatz (redaktionell)
1. Durch unvollständige Angaben gegenüber dem zur Eröffnung des Testaments berufenen Nachlassgericht kann der Erwerber den Tatbestand der Hinterziehung von Erbschaftsteuer nicht erfüllen.
2. Die Anzeigeverpflichtung des Erwerbers gegenüber der Finanzbehörde entfällt in jedem Falle durch die Eröffnung des Testaments vor dem Nachlassgericht und kann auch durch das nachträgliche Auffinden von Nachlassgegenständen nicht wiederaufleben.
3. Steuerliche Erklärungs- und Berichtigungspflichten des Erwerbers können nur nach Aufforderung zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung bzw. deren Abgabe entstehen.
4. Eine Verkürzung der Erbschaftsteuer durch die Abgabe korrespondierend unrichtiger Einkommen- und Vermögensteuererklärungen käme nur in Betracht, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der Fertigung entsprechender Kontrollmitteilungen an die Erbschaftsteuerstelle ausgegangen werden könnte.
Normenkette
AO §§ 153, 235 Abs. 1 S. 1, § 370 Abs. 1 Nrn. 1-2; ErbStG § 30 Abs. 1, 3-4, § 31 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ist testamentarische Alleinerbin nach ihrer am 9. Februar 1984 verstorbenen Mutter.
Nachdem das Amtsgericht … die notariell beurkundete Verfügung von Todes wegen am 15. Mai 1984 eröffnet hatte, zeigte das Gericht dem damals zuständigen Finanzamt … u.a. den Erwerb von Todes wegen, den Namen und Adresse sowohl der Erblasserin als auch der Erbin und einen für die Gebührenberechnung zugrundegelegten Wert von 50.000 DM an; zugleich übersandte es eine Ablichtung des Testaments und eine Abschrift der Eröffnungsverhandlung. Der für die Eröffnungsgebühr zugrundegelegte Betrag von 50.000 DM beruhte auf einer an das Amtsgericht … gerichteten Erklärung der Klägerin vom 21. März 1984 zum Wert des Nachlasses. Das Finanzamt …, das außerdem eine Anzeige der 'Bank' über ein Guthaben der Erblasserin von ca. 6.735 DM erhalten hatte, forderte von der Klägerin keine Erbschaftsteuererklärung an.
Mit Schreiben vom 27. Juli 1993 erstatteten die Klägerin und ihr Ehemann u.a. beim Beklagten Selbstanzeige. Hiernach habe die Klägerin im März/April 1988 im Nachlaß ihrer Mutter in einem Karton festverzinsliche Anleihen ("Endfälligkeitspapiere = Mäntel ohne Kupons") und Bargeld von insgesamt 3.200.000 DM gefunden. Anschließend hätten sie und ihr Ehemann diese bislang (erbschaft-)steuerlich noch nicht erfaßten Werte ab Mai 1988 bis Juni 1991 in DM-Auslandsanleihen der … bei einer … Bank angelegt. Daraufhin setzte der Beklagte mit Bescheid vom 10. August 1993 die Erbschaftsteuer auf 404.300 DM fest, nach Abgabe der Erbschaftsteuererklärung am 31. August 1993 auf 405.652 DM (Bescheid vom 7. Oktober 1993). Zuvor hatte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung u. a. überprüft, ob die Vermögenswerte vom Ehemann der Klägerin erwirtschaftet worden seien, und letztlich eine Verkürzung von Erbschaftsteuer durch die Klägerin angenommen. Am 23. August 1994 hatte es Straffreiheit nach § 371 Abgabenordnung - AO - zugebilligt.
Mit Bescheid vom 23. November 1994 setzte der Beklagte Hinterziehungszinsen für die Zeit vom 31. Mai 1988 bis zum 7. September 1993 von 127.764 DM fest. Aufgrund des hiergegen gerichtete Einspruch nahm er einen Beginn des Zinslauf am 1. August 1988 an und setzte die Zinsen auf 123.714 DM herab; im übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 4. April 1995).
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, bereits der objektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung sei nicht verwirklicht. Denn eine Pflicht zur Anzeige des Erwerbs von Todes wegen habe nie bestanden, weil er auf einem von einem deutschen Gericht eröffneten Testament beruht habe. In einem solchen Fall werde der Erwerber gemäß § 30 Abs. 3 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz - ErbStG - von seiner Anzeigeverpflichtung entbunden. Denn die Mitteilung des Erbfalls sei in anderer Weise, nämlich durch das Gericht, sichergestellt. Ein Wiederaufleben der Anzeigeverpflichtung nach § 30 Abs. 1 ErbStG nach dem überraschenden Fund könne dem Gesetz nicht entnommen werden. Eine Erklärungspflicht nach § 149 AO sei ebenfalls nicht verletzt worden, weil das Finanzamt die Klägerin niemals zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung aufgefordert habe. Darüber hinaus hätte die rechtzeitige Mitteilung der zutreffenden Besteuerungsgrundlagen an das für die Einkommen- und Vermögensteuerveranlagung zuständige Wohnsitzfinanzamt nicht dazu geführt, daß das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt hiervon Kenntnis erlangt hätte. Dies sähen die Anweisungen der Oberfinanzdirektionen über Kontrollmitteilungen nicht vor. Im übrigen könne aus dem Geschehensablauf kein (bedingter) Vorsatz der Klägerin zur Hinterziehung der Erbschaftsteuer abgeleitet werden.
Die Klägerin beantragt,
den Zinsbescheid vom 23. November 19...