Entscheidungsstichwort (Thema)
Versäumung der Antragsfrist für Kindergeld
Leitsatz (redaktionell)
Versäumt der Berechtigte die Antragsfrist für das Kindergeld, so ist lediglich für die betroffenen Jahresmonate der Kinderfreibetrag zu gewähren. Eine Hinzurechnung des für weitere Monate des gleichen Jahres gezahlten Kindergeldes unter Gewährung des vollen Kinderfreibetrages kommt nur in Betracht, wenn durch das Kindergeld die gebotene steuerliche Freistellung nicht in vollem Umfang bewirkt wird.
Normenkette
EStG §§ 31, 32 Abs. 6 S. 2, § 36 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
BFH (Urteil vom 15.01.2003; Aktenzeichen VIII R 63/99) |
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die in 1976 geborene Tochter D der Kläger befand sich im Streitjahr 1996 in der Berufsausbildung. Mit Bescheid vom 21.09.1997 versagte die zuständige Familienkasse die vom Kläger für seine Tochter beantragte Nachzahlung von Kindergeld für die Zeit vom 01.01.1996 bis zum 31.07.1996.
Für die Monate August bis Dezember 1996 wurde dem Kläger Kindergeld in Höhe von 1.000 DM gewährt.
Der Beklagte brachte im Einkommensteuerbescheid 1996 vom 19.06.1997 für die Tochter D den vollen Kinderfreibetrag in Höhe von 6.264 DM in Ansatz und rechnete das von der Familienkasse ausbezahlte Kindergeld der festgesetzten Einkommensteuer hinzu. Dagegen erhoben die Kläger Einspruch mit dem Begehren, nur 8/12 des Kinderfreibetrages in Ansatz zu bringen und auf die Rückforderung des Kindergeldes zu verzichten.
Der Einspruch blieb erfolglos.
Zur Begründung ihrer anschließend erhobenen Klage tragen die Kläger vor, nach § 32 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes - EStG - gelte ab dem Veranlagungszeitraum 1996 für den Kinderfreibetrag das sog. Monatsprinzip, das im Streitfall vom Finanzamt nicht beachtet worden sei. Nach dem Monatsprinzip sei für die Monate 1-7 in 1996 der Kinderfreibetrag anzusetzen und für die Monate 8-12 in 1996 das Kindergeld zu zahlen, so daß die Rückforderung des Kindergeldes für die Monat 8-12 1996 rechtsfehlerhaft sei.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 19.06.1997 in Form der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, daß 7/12 des Kinderfreibetrages in Ansatz gebracht werden und das für 5 Monate gezahlte Kindergeld bei der Berechnung der festgesetzten Einkommensteuer außer Betracht bleibt.
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung, hilfsweise Zulassung der Revision.
Der Beklagte ist der Ansicht, das vom Kläger geltend gemachte Monatsprinzip sei nur auf diejenigen Sachverhalte anzuwenden, in denen die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld/Kinderfreibetrag nicht während des gesamten Veranlagungszeitraums vorlägen. Für die Vergleichsrechnung, ob Kindergeld oder Kinderfreibetrag zu gewähren ist, werde jedoch auf das gesamte Jahr abgestellt. Denn gemäß § 31 EStG werde die steuerliche Freistellung des Einkommensteuerbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes durch den Kinderfreibetrag nach § 32 EStG oder durch das Kindergeld nach dem X. Abschnitt bewirkt. Ein "Nebeneinander" von Kindergeld und Kinderfreibetrag werde ausdrücklich durch den Gesetzgeber ausgeschlossen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1996 in Form der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.
Der Beklagte hat zu Unrecht den Kinderfreibetrag für das gesamte Streitjahr abgezogen und das für die Monate August bis Dezember 1996 gezahlte Kindergeld der Einkommensteuer hinzugerechnet. Der Kinderfreibetrag war, wie mit dem Einspruch beantragt, nur für die 7 Monate zu berücksichtigen, in denen die Kläger für ihre Tochter D kein Kindergeld erhalten haben; für die übrigen 5 Monate ist Kindergeld gezahlt worden, das nicht auf die Einkommensteuer anzurechnen ist.
Denn nach § 32 Abs. 6 Satz 2 EStG wird der Kinderfreibetrag monatlich abgezogen; bei zusammen veranlagten Eheleuten monatlich in Höhe von 522 DM. Das Kindergeld wird gemäß § 31 Sätze 3, 4 und 5 EStG als Steuervergünstigung ebenfalls monatlich gewährt. Wird die gebotene steuerliche Freistellung durch das Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt, ist bei der Veranlagung zur Einkommensteuer der Kinderfreibetrag abzuziehen und das Kindergeld nach § 36 Abs. 2 EStG zu verrechnen. Wurde das Einkommen in den Fällen des § 31 EStG um den Kinderfreibetrag vermindert, so wird im entsprechenden Umfang das gezahlte Kindergeld der Einkommensteuer hinzugerechnet (§ 36 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Nach diesen klaren gesetzlichen Regelungen ist sowohl das Kindergeld als auch der Kinderfreibetrag der auf den jeweiligen Kalendermonat entfallende Betrag (Einführungsschreiben zum Familienlastenausgleich des BMF 18.12.1990 IV B/S 2282a/438/95 II, BStBl. 1 1995, 805, Rdnr. 4). Demnach gilt für das Kindergeld und für den Kinderfreibetrag das Monatsprinzip (§ 32 Abs. 6 und § 71 EStG). Dieses Prinzip gilt auch für die Verrechnung (vgl. BMF a.a.O., Rdnr. 23). Denn ein Kinderfreibetrag ist auch dann abzuziehen, wenn ein Anspruch auf Kinde...