Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anspruch auf Einreihung in die Steuerklassen III und V für gleichgeschlechtliche Lebenspartner
Leitsatz (redaktionell)
- Gleichgeschlechtliche Lebenspartner, die eine Lebenspartnerschaft nach dem LPartG begründet haben, sind von dem Gesetzeswortlaut des § 38b Satz 2 Nr. 3 a EStG nicht erfasst. Eine entsprechende Anwendung auf eingetragene Lebenspartnerschaften kommt mangels einer Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit nicht in Betracht.
- Eingetragenen Lebenspartnern steht kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf eine Zuordnung in die Steuerklassen III/V zu. Dem Gesetzgeber stünden mehrere mögliche Handlungsalternativen zu Gebote, eine - möglicherweise - verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern zu beseitigen.
- Eine Aussetzung des Verfahrens zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit dieser Ungleichbehandlung ist mangels Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage nicht geboten.
- Die Frage, ob eingetragenen Lebenspartnern durch die Verweigerung einer Zusammenveranlagung und die fehlende einkommensteuerliche Gleichstellung ein verfassungsrechtlich relevanter Nachteil entsteht, ist erst im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu klären
Normenkette
EStG §§ 26, 26b, 32a Abs. 5, § 38b S. 2 Nrn. 3 a, 5, § 52b Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1
Streitjahr(e)
2010
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 06.12.2013; Aktenzeichen III R 1/12) |
Tatbestand
Die Klägerinnen sind seit dem 17.08.2007 nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) miteinander verpartnert. Die Lebenspartner sind beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig und leben nicht dauernd getrennt. Beide Lebenspartnerinnen erzielen - was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist - Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Unter dem 23.09.2010 beantragten sie, die Lohnsteuerkarten dergestalt zu ändern, dass die Klägerin zu 1) - „A” - von der Steuerklasse I in die Steuerklasse III und die Klägerin zu 2) - „B” - von der Steuerklasse I in die Steuerklasse V eingereiht wird. Zur Begründung führten sie aus, obwohl ihnen nach den gesetzlichen Regelungen die begehrte Zuordnung nicht zustehe, stünde ihnen ein Anspruch auf die Eintragungen zu. § 38b des Einkommensteuergesetzes - EStG -, der die Zuordnung von Arbeitnehmern zu den verschiedenen Lohnsteuerklassen regele, sei lückenhaft, weil darin der Familienstand der Lebenspartnerschaft nicht geregelt sei. Die Lücke müsse dadurch geschlossen werden, dass Lebenspartnern die gleichen Rechte zuzubilligen seien wie Ehegatten. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- folge, dass Lebenspartnerinnen ein Anspruch auf vollumfängliche Gleichbehandlung mit Verheirateten zustehe. Denn nach Art. 3 des Grundgesetzes - GG - sei auch ein gleichheitssatzwidriger Begünstigungsausschluss verboten, so dass sich ein Anspruch auf Gleichbehandlung schon unmittelbar aus Verfassungsrecht ergebe.
Mit Bescheiden vom 30.09.2010 und 04.10.2010 lehnte der Beklagte die Änderungen ab. Zur Begründung führte er aus, die begehrten Eintragungen der Lohnsteuerklassen seien nur bei Ehegatten möglich. Bei einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sei das Tatbestandsmerkmal „Ehegatte” nicht erfüllt.
Hiergegen legten die Klägerinnen am 06.10.2010 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, die Verpflichtung zur Änderung der Lohnsteuerklassen ergebe sich unmittelbar aus der Rechtsprechung des BVerfG. Die Verpflichtung zur Gleichbehandlung folge aus der Bindungswirkung der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen vom 07.07.2009 und 21.07.2010 nach § 31 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes - BVerfGG -.
Nachdem die Klägerinnen sich nicht mit einem Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf eine beim BVerfG anhängige Verfassungsbeschwerde (2 Bar 909/06) einverstanden erklärt hatten, wies der Beklagte die Einsprüche mit Einspruchsentscheidungen vom 07.06.2011 bzw. 30.06.2011 zurück. Er hielt an seiner Ansicht fest, dass es bezüglich der Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte für eine Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten an einer Rechtsgrundlage fehle. Eine Einreihung in die Steuerklassen III und V komme nach dem geltenden Gesetzeswortlaut nur für verheiratete Ehegatten in Betracht. Lebenspartner seien keine Ehegatten i.S. der gesetzlichen Regelungen, so dass eine unmittelbare Anwendung der Vorschriften ausscheide. Durch die Schaffung des neuen Personenstands der Lebenspartnerschaft sei zwar bei den Vorschriften über die Steuerklassen möglicherweise eine Regelungslücke entstanden. Gleichwohl seien Lebenspartner wie Ledige der Steuerklasse I zuzuordnen. Die Regelungslücke sei keine ausfüllungsbedürftige unbewusste Lücke im Gesetz. Der Gesetzgeber habe die einkommensteuerliche Gleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern vielmehr bewusst nicht geregelt, so dass eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Steuerklassen für Ehegatten nicht in Betracht komme. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Entscheidungen des BVerfG zum Erbschaft- und...