Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch bei mehraktiger Ausbildung zur Verwaltungsfachwirtin
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der von vorneherein angestrebten Weiterbildung einer Verwaltungsfachangestellten zur Verwaltungsfachwirtin im Rahmen eines zum nächstmöglichen Zeitpunkt begonnenen berufsbegleitenden Lehrgangs beim Studieninstitut für Kommunale Verwaltung handelt es sich noch um einen Teil einer einheitlichen mehraktigen Erstausbildung, während der der Kindergeldanspruch nicht durch die nach dem ersten berufsqualifizierenden Abschluss ausgeübte Vollzeiterwerbstätigkeit ausgeschlossen wird.
- Für die Feststellung der von vorneherein bestehenden Absicht der Weiterbildung zur Verwaltungsfachwirtin kommt es nicht entscheidend darauf an, ob und zu welchem Zeitpunkt der Familienkasse eine entsprechende schriftliche Erklärung übermittelt worden ist (entgegen DA-KG 2017 V 6.1 Abs. 1 Satz 8).
Normenkette
EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 Sätze 2-3
Tatbestand
Der Kläger begehrt Kindergeld für die Tochter A, geb. () 1991, ab März 2013.
A machte zunächst eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten, nach deren Abschluss meldete sie sich zum Verwaltungslehrgang II beim Studieninstitut () am 18. 7. 2013 mündlich und am 27. 8. 2013 schriftlich an.
Die Beklagte lehnte die Kindergeldgewährung am 16. 10. 2017 ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies sie am 20. 11. 2017 zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger trägt vor,
die Fortführung der Ausbildung in Form des Verwaltungslehrgangs II setze voraus, dass die Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten mit "gut" abgeschlossen worden sei. Der Lehrgang, für den sich A im August 2013 angemeldet habe, habe erst im November 2013 begonnen.
Der Kläger beantragt,
die Familienkasse zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 16. 10. 2017 und der Einspruchsentscheidung vom 20. 11. 2017 Kindergeld für August 2013 bis April 2016 festzusetzen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung,
hilfsweise Revisionszulassung.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin A. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 28. 5. 2018 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht für den streitigen Zeitraum ein Anspruch auf Kindergeld für die Tochter A zu.
Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG besteht Anspruch auf Kindergeld u.a. für Kinder, die das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).
Die Tochter des Klägers befand sich bis zum Abschluss des Angestelltenlehrgangs II in der Erstausbildung zur Verwaltungsfachwirtin. Mit der Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten lag noch keine abgeschlossene Erstausbildung vor.
Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt (BFH-Urteile vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152; vom 16. Juni 2015 XI R 1/14, BFH/NV 2015, 1378; vom 3. September 2015 VI R 9/15, BFHE 251, 10). Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Hierfür ist auch erforderlich, dass aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat (BFH-Urteil vom 4. Februar 2016 III R 14/15 BFHE 253,145, BStBl II 2016, 615). Da es im Rahmen des
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auf das angestrebte Berufsziel des Kindes ankommt, muss der Tatbestand "Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung" nicht bereits mit dem ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss (z.B. in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang) erfüllt sein (BFH vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152). Ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbi...