Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausfuhrerstattung: Nachweis über die Abfertigung der Waren zum freien Verkehr des Bestimmungsdrittlandes
Leitsatz (amtlich)
Es ist erheblich zweifelhaft, dass allein aus dem Umstand, dass ein Primärnachweis erst wenige Tage nach und nicht unmittelbar bei der Einfuhr ausgestellt wurde, der Schluss gezogen werden kann, der Nachweis über die Abfertigung der Waren zum freien Verkehr des Bestimmungsdrittlandes sei nicht erbracht.
Normenkette
EWGV 3665/87 Art. 18 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die Rückforderung gezahlter Ausfuhrerstattungen.
Mit den Ausfuhranmeldungen vom 28.12.1995 und vom 5.1.1996 meldete die Antragstellerin beim Hauptzollamt H Rindfleisch zur Ausfuhr nach Serbien an und beantragte die Gewährung von Ausfuhrerstattungen, die ihr mit Bescheiden vom 24.1.1996 und 23.2.1996 antragsgemäß im Vorschusswege in Höhe von insgesamt DM 72.474,35 gewährt wurde.
Am 29.3.1996 übersandte die Antragstellerin dem Hauptzollamt zu den Ausfuhrsendungen je eine "Bescheinigung der Entladung und Überführung in den freien Verkehr im Drittland", welche von der durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zugelassenen Kontroll- und Überwachungsgesellschaft ControI ... GmbH am 30.1.1996 ausgestellt worden war (sog. KÜG-Primärnachweise gem. Art. 18 Abs. 1 lit. b) der VO (EWG) 3665/87). Aus diesen KÜG-Primärnachweisen ergab sich u.a., dass Entladekontrollen am 6.1.1996 und am 19.1.1996 nachträglich stattgefunden hatten, und dass die Ware exportiert und am 3.1.1996 bzw. am 10.1.1996 in den freien Verkehr in Serbien überführt worden ist.
Mit Bescheid vom 10.2.2000, zugestellt am 24.2.2000, forderte der Antragsgegner die gezahlte Ausfuhrerstattung zuzüglich eines 15%igen Zuschlags nebst Zinsen zurück. Die KÜG-Primärnachweise seien, wie dem Prüfbericht der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung vom 14.10.1999 zu entnehmen sei, fehlerhaft, da die unmittelbar im Endladezeitpunkt erforderlichen Überwachungsmaßnahmen (Vorortkontrollen) nicht stattgefunden hätten. Die Kontrollen hätten vielmehr erst nach der Entladung der Ware stattgefunden.
Am 6.3.2000 legte die Antragstellerin Einspruch ein, der mit der Einspruchsentscheidung vom 30.6.2003 zurückgewiesen wurde.
Die Antragstellerin hat am 15.7.2003 Klage erhoben und am 26.9.2003 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie meint, Art. 18 Abs. 1b der VO (EWG) Nr. 3665/87 schreibe im Gegensatz zu Art. 16 Abs. 5 VO Nr. 800/1999 keine Vorortkontrollen vor. Diese seien auch nicht notwendig, weil eine reine Dokumentenprüfung ausreichend sei. Selbst die Arbeitsunterlage VI/2705/93-DE Rev. 7 vom 26.10.1994 lasse nachträgliche Kontrollen zu, dies gelte insbesondere auch, wenn - wie hier - ein Wirtschaftsbeteiligter einen Ausfuhrvorgang nach einem neuen Markt abwickele. Wären die Primärnachweise tatsächlich fehlerhaft, hätte die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung die Firma Control zur Rücknahme der Nachweise auffordern müssen. Solange die Primärnachweise existent seien, hätten sie die Beweiskraft öffentlicher Urkunden. Der Antragsgegner habe auch keinerlei Zweifel an der Richtigkeit des Inhalts der Nachweise vorgetragen. Im übrigen sei die Rückforderung wegen § 48 Abs. 4 VwVfG rechtswidrig. Von der nachträglichen Prüfung habe der Antragsgegner bereits durch Schreiben der Antragstellerin vom 29.3.1996 erfahren, bei Erlass des Rückforderungsbescheides vom 10.2.2000 sei die Jahresfrist erheblich überschritten. Im Übrigen verstoße die Rückforderung gegen den Vertrauensschutz gem. Art. 48 Abs. 2 VwVfG. Der Antragstellerin sei kein Vorwurf zu machen, es gehe vielmehr um die Interpretation einer unklaren Rechtsvorschrift.
Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung des Bescheides vom 10.2.2000 ohne Anforderung einer Sicherheitsleistung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
Er trägt vor, dass an die KÜG-Primärnachweise die gleichen Anforderungen zu stellen seien wie an ein Zolldokument. Vor Erstellung des Zolldokuments finde eine Vorortkontrolle statt. Eine Vorortkontrolle sei auch für die Anerkennung eines dem Zolldokument gleichgestellten Nachweises zu verlangen. Seit der zum 1.1.1996 erfolgten Neuzulassung der KÜG sei aus diesem Grund eine Vorortkontrolle ein zwingendes Erfordernis, um einen anzuerkennenden Primärnachweis erstellen zu können. Aufgrund der zeitlichen Differenz zwischen dem Entladen der Waren und der Bescheinigung sei eine Anerkennung der Primärnachweise nicht möglich, deren Beweiskraft sei widerlegt. Andere Nachweise habe die Antragstellerin trotz Aufforderung nicht vorgelegt. Wegen Fehlens einer ausführlichen Dokumentation der Prüfung komme auch eine Ausnahme nach Nr. 6.1 der Arbeitsunterlage der Kommission zum Zulassungsverfahren der Kontroll- und Überwachungsgesellschaften nicht in Betracht. Weiter trägt er vor, er habe erstmals durch den Prüfbericht der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung vom 14.10.1999 Kenntnis vom Fehlen der Vorortkontrollen erhalten. Dem Vertraue...