Leitsatz (redaktionell)

Zu den Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung auf vorläufige Auszahlung von Vorsteuerguthaben

 

Normenkette

FGO § 114 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob auf die Umsätze der Antragstellerin, die sie mit der Überlassung von Bibliothekssoftware erzielt, der ermäßigte Umsatzsteuersatz gemäß § 12 Abs.2 Nr. 7c Umsatzsteuergesetz (UStG) anzuwenden ist.

Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin sind die Entwicklung, der Vertrieb, die Installation und die Pflege von integrierten, automatisierten Bibliothekssystemen. Die Antragstellerin hat von der A Systems Utah, USA, das exklusive Recht erhaten, die Bibliothekssoftware X an Abnehmer zu lizensieren, zu vermarkten und zu verkaufen. Sie ist berechtigt, Urheberrechte auf Dritte zu übertragen, Veränderungen am Quell-Code der Software und an der Softwaredokumentation vorzunehmen.

Nach der vorgelegten Funktionsbeschreibung ist der Benutzer der Software in der Lage sie zur Erstellung von Katalogisierungs-, Ansetzungs-, Ausleihe-, Erwerbungs- und Benutzerkatalogen zu verwenden. Außerdem ist die Software zur Sonderbestandsverwaltung geeignet. Die Software ist auf unterschiedlichen technischen Plattformen einsetzbar, multitasking- und netzwerkfähig. Sie ist für alle in der Bibliotheksverwaltung vorkommenden Anforderungen ausgerüstet und wird den Abnehmern mit der vollen Programmfunktionalität zur Verfügung gestellt. Laut Prospektwerbung ist die Bibliothekssoftware der Firma K weltweit bei mehr als 2.800 Bibliotheken installiert.

Grundlage für den Abschluss von Verträgen mit den Bibliotheken sind die „Besonderen Vertragsbedingungen für die Überlassung von DV-Programmen, Vertragstyp II” (BVB-Überlassung) in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses jeweils gültigen Fassung. Darin wird vereinbart die Überlassung von Programmen und die Herbeiführung ihrer Funktionsfähigkeit auf bestimmten EDV-Anlagen und -Geräten. Für die Wartung und Pflege der Programme gelten die BVB Pflege. Über eine eventuelle Hinterlegung des Programm-Quell-Codes werden gesonderte Vereinbarungen abgeschlossen.

Weil die Antragstellerin keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgab, schätzte das damals zuständige Finanzamt für Körperschaften Hamburg … (FA) die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Januar bis April 1997 entsprechend fest. Nach Eingang der Voranmeldungen für die Monate Januar bis Juli 1997 änderte das FA die Vorauszahlungsbescheide, außerdem setzte es aufgrund der verspäteten Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen Verspätungszuschläge fest:

1997

Schätzung

angemeldet

geänderte

Differenz

Festsetzung

Januar

78.130 DM

– 17.240 DM

– 7.626 DM

– 9.614 DM

Februar

84.760 DM

– 6.511 DM

– 2.169 DM

– 4.342 DM

März

90.280 DM

65.222 DM

122.829 DM

57.607 DM

April

380.661 DM

64.636 DM

98.168 DM

33.532 DM

Mai

– 9.486 DM

– 8.581 DM

– 905 DM

Juni

1.920 DM

6.638 DM

4.718 DM

Juli

– 35.350 DM

25.882 DM

– 61.232 DM

August

56.221 DM

September

–70.249 DM

– 66.752 DM

– 3.497 DM

Dagegen richten sich die Einsprüche vom 28.05.97, 04.09.97, 30.09.97 und 17.11.97. Auf die Umsätze der Antragstellerin sei der ermäßigte Steuersatz gemäß § 12 Abs.2 Nr. 7c UStG anzuwenden, denn bei der Überlassung von Software handele es sich um die Einräumung und Wahrnehmung von Rechten nach §§ 2 Abs.2 in Verbindung mit 69c UrhG.

Die beim Finanzamt gestellten Anträge auf Aussetzung der Vollziehung wurden abgelehnt. Ebenso wurden mit Einspruchsentscheidungen vom 10.12.98 und 17.12.98 die Einsprüche zurückgewiesen.

Über den bei Gericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Voranmeldungszeiträume März, April, Juni und Juli 1997 (Aktenz: II 340/97) wurde mit Beschluß vom 10.03.99 abschlägig entschieden.

Mit Anträgen vom 15.10.1997 (Aktenz: II 338/97) und 18.11.1997 begehrt die Antragstellerin die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs.2 Nr. 7c UStG auf die strittigen Leistungen, die sie in den Voranmeldungszeiträumen Januar, Februar, Mai, Juli und September 1997 erbracht hat.

Aufgrund ihres exklusiven Verwertungsrechtes sei sie berechtigt, die Software an Abnehmer zu lizensieren, also auch Urheberechte auf Abnehmer zu übertragen. Da sie den Quell-Code verändern dürfe, besitze sie während der Dauer des Vertrages die ausschließlichen Urheberrechte.

Nach der EG-Richtlinie 91/259/ EWG vom 14.05.91 (Abl. EG Nr. L 122) würden sämtliche Computerprogramme als urheberrechtlich geschützte Werke anerkannt. Diese Regelungen seien durch die Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 09.06.93 in den §§ 69a69g UrhG in nationales Recht überführt worden.

Die Überlassung von Computerprogrammen erfolge im deutschen Rechts- und Wirtschaftsleben ganz überwiegend durch die Einräumung von beschränkten Nutzungsrechten am Programm. Die Möglichkeit zur legalen Nutzung der Software sei einzig davon abhängig, daß der Rechtsinhaber (Urheber) bereit sei, auf seine Verbietungsrechte (vgl. § 97 UrhG) zu verzichten bzw. seine Verwertungsrechte zu übertrage...

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