Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH V B 28/12)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer: Aussetzung der Vollziehung und Antrag auf Billigkeitsentscheidung
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen eines Verfahrens auf Aussetzung der Vollziehung gem. § 69 FGO ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob einem Antrag auf Erlass einer Billigkeitsmaßnahme gem. §§ 163, 227 AO stattzugeben wäre.
Normenkette
FGO §§ 69, 74; AO §§ 163, 227; UStG § 15
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um den Vorsteuerabzug.
Der Antragsteller (Ast) betreibt einen Groß- und Einzelhandel mit Textilien.
Aufgrund des Ergebnisses einer Umsatzsteuersonderprüfung (Bericht vom 31.08.2011 Betriebsprüfungsarbeitsakte - BpA - 3 Bl. 122) erließ der Antragsgegner (Ag) unter dem 26.10.2011 geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2007 bis 2009, in denen er den Vorsteuerabzug aus Rechnungen u. a. der Firmen A GmbH, B GmbH und C GmbH nicht anerkannte. Die Prüfung war insoweit von Scheinunternehmen bzw. Scheinrechnungen ausgegangen. Mit am 08.11.2011 eingegangenen Schreiben vom 07.11.2011 legte der Ast Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung. Letztere lehnte der Ag mit Bescheid vom 14.11.2011 ab. In Ergänzung zu dem Bericht vom 31.08.2011 wies er darauf hin, dass der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firmen B GmbH und C GmbH auch deshalb zu versagen sei, weil ein Lieferzeitpunkt nicht angegeben sei.
Hierauf hat der Ast mit am 29.11.2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 28.11.2011 einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Gleichzeitig beantragte er gegenüber dem Ag eine Billigkeitsentscheidung gem. §§ 163, 227 Abgabenordnung - AO - (s. Anlage Ast 3). Der Ag hat die beantragte Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 14.11.2011 abgelehnt. Über den Einspruch und den Billigkeitsantrag ist noch nicht entschieden.
Der Ast trägt vor: Soweit der Ag hinsichtlich der Rechnungen der Firma C von der fehlenden Angabe des Lieferdatums ausgehe, verkenne er die Auslegungsfähigkeit der entsprechenden Rechnungen. Im Übrigen habe der Ast im Oktober 2008 hinreichende Hinweise dafür gehabt, dass die Firma C unter der Rechnungsanschrift zu erreichen war und mithin keinen Anlass gesehen, dies in der Folgezeit zu überprüfen. Hinsichtlich der Rechnungsanschrift der Firma B habe der Ast ebenfalls bei Abholung der Waren in einer Halle, in der auch andere Lieferanten ihre Waren angeboten hätten, und angesichts eines vorhandenen Warenlagers keinen Zweifel haben müssen. Im Übrigen seien die Feststellungen des Ag zu den mitgeteilten Zeitpunkten, zu denen die Firma nicht mehr auffindbar gewesen sein solle, widersprüchlich. Es hätten keine Hinweise darauf bestanden, dass die A GmbH ein sog. missing trader sei. Bei der Rechnungsadresse in D habe es sich um eine Halle in einem Gewerbegebiet gehandelt. Hinsichtlich der Vorträge zu den Firmen B GmbH und A GmbH bietet der Ast die Parteivernehmung an. Das Finanzamt dürfe nach der Rechtsprechung nicht pauschal einen Scheinsitz behaupten, wenn der Steuerpflichtige konkrete Nachweise für das Vorhandensein eines ordnungsgemäßen Geschäftssitzes vorlege. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen erforderten eine Billigkeitsmaßnahme, so dass das in § 163 Abgabenordnung (AO) dem Finanzamt eingeräumte Ermessen auf Null reduziert sei und jedenfalls nach Eingang des Billigkeitsantrages die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Rechtswidrigkeit der nachgeforderten Umsatzsteuer bestehe.
Der Ast beantragt, Vollziehung der Bescheide über Umsatzsteuer für 2007 - 2009 vom 26.10.2011 ohne Sicherheitsleistung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.
Der Ag beantragt, den Antrag abzulehnen.
Er bezieht sich auf den Prüfungsbericht vom 31.08.2011 sowie den Ablehnungsbescheid vom 14.11.2011. Für den Fall der Stattgabe des Antrags sei jedenfalls eine Sicherheitsleistung zu verlangen, da der Ast ausweislich der angefallenen Säumniszuschläge seinen Zahlungsverpflichtungen in den letzten Jahren mehrfach verspätet nachgekommen sei.
Dem Senat haben Band I der Rechtsbehelfsakten, Band I der Umsatzsteuerakten und 3 Bände Betriebsprüfungsarbeitsakten vorgelegen.
II.
Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) wird die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise ausgesetzt, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder - was im Streitfall nicht dargelegt oder ersichtlich ist - wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hat. Ernsthafte Zweifel bestehen, wenn bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der angefochtenen Entscheidung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen auch gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die eine Unentschiedenheit in der Beurteilung der Rechtslage oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken; die für die Rechtmäßigkeit eines Bescheides sprechenden Grün...