Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtskostengesetz: Kein Verböserungsverbot bei Festsetzung eines höheren Streitwerts
Leitsatz (amtlich)
1. Nach Gerichtskosten-Erinnerung kann das Gericht - über den Ansatz des Kostenbeamten hinausgehend - einen höheren Streitwert festsetzen.
2. Dem allgemeinen Verböserungsverbot gehen die im Fall einer Gerichtskosten-Erinnerung anzuwendenden speziellen Vorschriften des GKG vor.
3. Die Streitwertfestsetzung des mit der Klagesache befassten Spruchkörpers bindet den Kostensenat bzw. dessen originären Einzelrichter.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 1 S. 2, § 149; GKG §§ 3, 9 Abs. 2, § 19 Abs. 5, §§ 20, 63 Abs. 3, § 66 Abs. 1, 6-7, § 68
Gründe
I.
Die Gerichtskosten-Erinnerung ist nach § 66 Abs. 1 GKG zulässig auf Beanstandung des in der Gerichtskostenrechnung zugrunde gelegten Streitwerts von 309.260 Euro gestützt worden; und zwar im Zusammenhang mit dem Antrag auf gerichtliche Festsetzung des Streitwerts gemäß § 63 Abs. 2 Satz 2 GKG.
Entsprechendes gilt für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, der sinngemäß als Antrag gemäß § 66 Abs. 7 Satz 2 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Gerichtskosten-Erinnerung zu verstehen ist (FG Hamburg, Beschluss vom 29.07.2011 3 KO 130/11, Rpfleger 2012, 157, Juris Rz. 19).
II.
1. Die Gerichtskosten-Erinnerung und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sind als unbegründet gemäß § 66 Abs. 1, 6, 7 GKG zurückzuweisen, nachdem der Streitwert durch gestrigen Beschluss des mit der Klagesache befassten Spruchkörpers mit bindender Wirkung nach § 3 GKG für das vorliegende Erinnerungsverfahren beim Kostensenat auf 317.142 Euro festgesetzt worden ist (§ 79a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 FGO; §§ 3, 52, 63 Abs. 2 Satz 2 GKG); kein Streit besteht über den nach Klagerücknahme ermäßigten 2,0 Gebührenansatz als solchen (§ 3, § 9 Abs. 2 Nr. 2, § 34 GKG i. V. m. GKG-KV Nr. 6111).
2. Der höheren Streitwertfestsetzung aufgrund der Gerichtskosten-Erinnerung steht kein Verbot der Verböserung (reformatio in peius) aus den zu § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO entwickelten Rechtsgrundsätzen entgegen.
a) Eine Verschlechterung scheidet hier schon deswegen aus, weil der höhere Streitwert in der aus § 34 GKG entwickelten Gerichtskostentabelle keinen Gebührensprung auslöst, insbesondere nicht in der gemäß § 71 GKG anzuwendenden bisherigen Fassung für die vor Ende Juli 2013 erhobene Klage.
b) Davon abgesehen gehen dem allgemeinen Verböserungsverbot die im Fall einer Gerichtskosten-Erinnerung anzuwendenden speziellen Vorschriften § 19 Abs. 5, § 20, § 63 Abs. 3 GKG vor (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 42. A., GKG § 19 Rz. 5 f., § 20 Rz. 9 f., § 63 Rz. 15, § 66 Rz. 29, § 68 Rz. 19 m. w. N.; Beschlüsse FG Rheinland-Pfalz vom 22.07.2011 3 Ko 1137/11, EFG 2012, 551, Juris Rz. 19; FG Sachsen-Anhalt vom 05.08.2009 4 K 503/08, EFG 2010, 74 m. w. N.; FG Münster vom 11.11.1969 VII 255/69 Ko, EFG 1970, 85; entgegen BFH-Beschlüssen unten d; vom 22.03.1989 VI E 4/88, BFH/NV 1989, 656; FG Saarland, Beschluss vom 19.11.1974 100/74, EFG 1975, 77).
Insoweit kann nichts anderes gelten als bei einer - in anderen Gerichtsbarkeiten - eröffneten Streitwertbeschwerde gemäß § 68 GKG (vgl. Beschlüsse OVG Lüneburg vom 14.10.2011 13 OA 196/11, Juris Rz. 9; vom 04.02.2008 5 OA 185/07. NVwZ-RR 2008, 431; LSG Nordrhein-Westfalen vom 24.03.2011 L 8 R 1107/10 B, Juris; OLG Brandenburg vom 26.05.2010 13 WF 20/10, FamRZ 2011, 755; ständ. Rspr.) oder nach der Vorgängervorschrift § 25 GKG a. F. (Thüringer LAG vom 14.11.2000 8 Ta 134/2000, MDR 2001, 538; OLG Brandenburg vom 18.06.1996 10 WF 49/96, FamRZ 1997, 689).
Das beruht darauf, dass das Streitwertfestsetzungsverfahren im überwiegenden öffentlichen Interesse an einer jederzeit objektiv richtigen Bewertung der Verfahrensgegenstände gemäß §§ 63 ff. GKG als amtliches Verfahren ausgestaltet ist und insoweit die unterschiedlichen Interessen der Prozessbeteiligten, die Rechtsverfolgung für sich möglichst kostengünstig oder für den Gegner möglichst kostspielig zu gestalten, nicht schutzwürdig sind und vollständig zurücktreten (Beschlüsse LG Hamburg vom 26.06.2012 318 T 36/12, Juris; OLG Düsseldorf vom 19. Mai 2009 I-24 W 13/09, MDR 2009, 1187).
c) Dabei kommt es hier nicht darauf an, inwieweit sonst die Bindung entsprechend § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO bzw. das Verschlechterungsverbot im Kostenrecht gilt, sei es in Verfahren nach § 33 RVG oder sei es bei Erinnerungen gegen - förmliche - Kostenfestsetzungsbeschlüsse betreffend die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten gemäß § 149 FGO (vgl. Beschlüsse FG Hamburg vom 11.07.2012 3 KO 49/12, EFG 2012, 2157; vom 07.12.1967 IVa 683/64 S-H, EFG 1968, 138; FG Köln vom 16.11.2001 10 Ko 6021/01, EFG 2002, 224; Bay. VGH vom 27.07.1998 23 C 98.981, Juris Rz. 44; BFH vom 16.12.1969 VII B 45/68, BFHE 98, 12, BStBl II 1970, 251).
d) Für Gerichtskosten-Erinnerungen sind insoweit Verweisungen auf Rechtsquellen betreffend Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse nicht einschlägig (entgegen Beschlüssen BFH vom 28.02.2001 VIII E 6/00, Juris Rz. 4; F...