Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbrauchsteuerrecht - Kernbrennstoffsteuergesetz
Leitsatz (amtlich)
1. Die im Kernbrennstoffsteuergesetz 2011 geregelte Steuer ist eine Steuer im finanzverfassungsrechtlichen Sinne, nicht aber eine Sonderabgabe der Kernkraftwerkbetreiber.
2. Es ist zweifelhaft, ob dem Bund für den Erlass der Kernbrennstoffsteuer eine Gesetzgebungskompetenz zusteht.
3. Es spricht vieles dafür, dass die in Art. 106 GG genannten Steuern und Steuerarten Typusbegriffe sind.
4. Es ist zweifelhaft, ob die Kernbrennstoffsteuer dem verfassungsrechtlichen Typus der in Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG genannten Verbrauchsteuer entspricht.
5. Es ist zweifelhaft, ob der Gesetzgeber neben den im Grundgesetz genannten Steuern und Steuerarten noch neuartige Steuern einführen darf, weil die Gefahr besteht, dass mit einem Steuerfindungsrecht die von der Finanzverfassung sorgsam ausbalancierte Verteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern umgangen werden könnte.
6. Einer Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift steht ein grundsätzlicher Geltungsanspruch jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommene Gesetzes nicht entgegen, wenn sich die Zweifel gerade auf das formelle Zustandekommen, hier die Gesetzgebungskompetenz, beziehen.
Normenkette
GG Art. 105 Abs. 1-2, Art. 106 Abs. 1 Nr. 2; FGO § 69; KernbrStG
Nachgehend
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung der Vollziehung einer Steueranmeldung betreffend Kernbrennstoffsteuer. Die Antragstellerin betreibt in A ein Kernkraftwerk. Im Juni 2011 setzte die Antragstellerin in den Kernreaktor Brennelemente ein und löste anschließend eine selbsttragende Kettenreaktion aus. Die verwendeten Brennelemente enthielten ... Gramm Uran 235. In ihrer für den Monat Juni 2011 abgegebenen Steueranmeldung vom ... Juli 2011 berechnete die Antragstellerin einen Betrag von EUR ... Mio. als Kernbrennstoffsteuer. Am 12.07.2011 erhob die Antragstellerin gegen die Steueranmeldung vom ... Juli 2011 beim Finanzgericht Hamburg Sprungklage, die zwischenzeitlich gemäß § 45 Abs. 3 FGO an den Antragsgegner, der der Sprungklage nicht zugestimmt hat, zur Durchführung des Einspruchsverfahrens abgegeben worden ist. Mit Schreiben vom 14.07.2011 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner, die Vollziehung der angemeldeten Kernbrennstoffsteuer auszusetzen, was dieser mit Bescheid vom 20.07.2011 ablehnte. Die Antragstellerin zahlte daraufhin die angemeldete Kennbrennstoffsteuer. Am 26.07.2011 hat die Antragstellerin bei Gericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Sie vertritt die Ansicht, dass die Steueranmeldung rechtswidrig sei, weil das Kernbrennstoffsteuergesetz
formell verfassungswidrig sei, denn dem Bund fehle die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass einer Kernbrennstoffsteuer;
materiell verfassungswidrig sei, denn es verstoße sowohl gegen Art. 3 Abs. 1 GG als auch gegen Art. 14 Abs. 1 GG;
unionsrechtswidrig sei, denn die Kernbrennstoffsteuer verstoße gegen Art. 14 Abs. 1 lit. a) der sog. Energiesteuerrichtlinie und erweise sich als eine vertragswidrige indirekte Besteuerung des Eigentümers der Brennelemente B.
Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung der Steueranmeldung vom ... Juli 2011 über EUR ... Mio. Kernbrennstoffsteuer aufzuheben.
Der Antragsgegner tritt den rechtlichen Einwendungen der Antragstellerin entgegen und beantragt, den Antrag abzulehnen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakte des Antragsgegners verwiesen.
Der gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Antrag auf Aufhebung der Vollziehung hat Erfolg, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steueranmeldung bestehen.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder - was vorliegend nicht in Betracht kommt und auch von der Antragstellerin nicht geltend gemacht wird - seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich der Verwaltungsakt bei abschließender Klärung dieser Fragen als rechtswidrig erweisen kann (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. nur Beschluss vom 26.09.2007, I B 53, 54/07, BF...