Entscheidungsstichwort (Thema)
Einfuhrabgaben: Einstweiliger Rechtsschutz bei Einfuhrabgaben
Leitsatz (amtlich)
1. Im Geltungsbereich des Zollkodex sind auch im finanzgerichtlichen Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO die Vorschriften des Art. 244 Unterabs. 2 Zollkodex über die Aussetzung der Vollziehung im Verwaltungsverfahren anzuwenden. Im Hinblick auf das Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ist indes gemäß Art. 245 Zollkodex das nationale Recht zu Grunde zu legen.
2. Die für die Begründetheit des Antrags nach § 69 Abs. 3 FGO i. V. m. Art. 244 Zollkodex erforderlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheides können nicht bestehen, wenn dieser Bescheid bestandskräftig geworden ist und seine Rechtmäßigkeit infolgedessen einer sachlichen Prüfung nicht mehr zugänglich ist.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3-4; ZK Art. 244-245
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung der Vollziehung eines Einfuhrabgabenbescheides.
Die Antragstellerin ist Inhaberin einer Zolllagerbewilligung. Unter Ausnutzung dieser Bewilligung gab sie am 05.01.2010 im IT-Verfahren ATLAS die ergänzende Zollanmeldung ATG-XXX für die Einfuhr von Waren (84 Positionen) in den freien Verkehr ab. Die Einfuhrabgaben berechnete sie in Höhe von 686.553,25 € selbst. Dabei handelte es sich - unstreitig - um einen Eingabefehler, tatsächlich wäre ein wesentlich niedriger Antidumpingzoll festzusetzen gewesen.
Mit Schreiben vom 28.01.2010 mahnte der Antragsgegner die ausstehenden Einfuhrabgaben an und erließ ein Leistungsgebot über Säumniszuschläge in Höhe von 6.154 € für den ersten Monat der Säumnis.
Hierdurch erkannte die Antragstellerin die fehlerhafte Einfuhrabgabenberechnung und nahm Kontakt mit dem Antragsgegner auf, der daraufhin mit Bescheid vom 10.02.2010 Antidumpingzoll in Höhe von 458.297,12 € erließ. Im Hinblick auf die Vorsteuerabzugsberechtigung der Antragstellerin wurde auf einen Erlass der ebenfalls zu hoch festgesetzten Einfuhrumsatzsteuer verzichtet. Am 16.02.2010 zahlte die Antragstellerin die Säumniszuschläge.
Mit Schreiben vom 02.02.2010 legte die Antragstellerin, vertreten durch die A GmbH, Einspruch gegen die Säumniszuschläge ein und bat um Entlastung bzw. Aussetzung der Zahlung.
Der Antragsgegner legte dieses Schreiben als Antrag auf Erstattung der Säumniszuschläge aus Billigkeitsgründen aus, den er mit Bescheid vom 15.04.2010 ablehnte, weil die Säumniszuschläge kraft Gesetzes entstanden und weder persönliche noch sachliche Billigkeitsgründe ersichtlich seien.
Am 30.04.2010 legte die Antragstellerin - nunmehr vertreten durch die Prozessbevollmächtigten - gegen den Ablehnungsbescheid vom 15.04.2010 Einspruch ein. Säumniszuschläge seien zu erlassen, wenn sie entstanden seien, weil die Aussetzung der Vollziehung - obwohl möglich und geboten - nicht gewährt werde. Der Antragsgegner hätte das Begehren, den Einfuhrabgabenbescheid vom 05.01.2010 zu ändern, als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung betrachten und positiv bescheiden müssen. Mit Schreiben vom 02.02.2010 sei dieser Antrag noch einmal wiederholt worden. Über den Antrag könne auch nachträglich entschieden werden.
Mit Einspruchsentscheidung vom 16.07.2010 wies der Antragsgegner den Einspruch vom 10.05.2010 zurück. Den ursprünglichen Abgabenbescheid habe die Antragstellerin nicht angefochten, sie habe auch nicht dessen Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung beantragt. Sie habe lediglich telefonisch auf die Unrichtigkeit der Abgabenfestsetzung hingewiesen, woraufhin ein Teilerlass ausgesprochen worden sei. Selbst wenn man in dem Schreiben vom 02.02.2010 einen Aussetzungsantrag sehen würde, hätte dies keine Auswirkungen auf die bisher verwirkten Säumniszuschläge gehabt. Die Verwirkung der Säumniszuschläge hätte nur durch einen vor dem Fälligkeitstermin (16.01.2010) gestellten Aussetzungsantrag vermieden werden können, eine Aussetzung wäre erst ab Eingang des Antrags in Betracht gekommen. Auch sonst lägen Gründe für eine Erstattung der Säumniszuschläge nicht vor.
Am 29.05.2012 hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Die Aufhebung der Vollziehung sei unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung zulässig, wenn schon zu diesem Zeitpunkt ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides bestanden hätten.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung des Einfuhrabgabenbescheides vom 05.01.2010 (ATG-XXX) ab Fälligkeit aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hält den Antrag wegen der Bestandskraft der im Streitfall ergangenen Bescheide für unzulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Antragsgegners Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag, mit dem die Antragstellerin gem. § 69 Abs. 3 FGO i. V. m. Art 244 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Zollkodex) die Aufhebung der Vollziehung des bestandskräftigen Einfuhrabgabenbescheides vom 05.01.2010 (ATG-XXX) begehrt, hat kei...