Entscheidungsstichwort (Thema)
FGO: Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens - Erledigungsgebühr bei tatsächlicher Verständigung
Leitsatz (amtlich)
1. Kosten eines Privatgutachtens sind erstattungsfähig, wenn nur dadurch der Beteiligte sich eine ausreichende Grundlage für seinen Vortrag verschaffen und das Gericht zur Beweisaufnahme veranlassen kann.
2. Für die Erledigungsgebühr zeigt sich in der signifikant nachgebenden tatsächlichen Verständigung eine besondere und kausale Erledigungs-Mitwirkung.
Normenkette
FGO § 139; ZPO § 91; VwGO § 162
Gründe
A. Erinnerung der Klägerin wegen Privatgutachten
Die Erinnerung der Klägerin vom 12. (eingeg. 16.) Januar 2017 betreffend die begehrte Erstattung der Kosten für das am 30. September 2014 als "Stellungnahme" eingereichte Privatgutachten ist in der entsprechend JVEG angemessenen Höhe begründet.
I.
Dem Grunde nach sind Kosten für Privatgutachten (oder Parteigutachten) nur ausnahmsweise erstattungsfähig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendige Aufwendungen i. S. v. § 139 Abs. 1 FGO (wie § 91 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 1 VwGO).
1. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand fachlich über den Inhalt normaler Prozessführung und die übliche Sachkunde und Aufgabenverteilung unter Gericht und Beteiligten hinausgeht (vgl. FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.04.2000 3 KO 11/98, Datev, Juris); wie zum Beispiel in der Fallgruppe der Ermittlung anwendbaren ausländischen Rechts, im Unterschied zu einem überflüssigen Gutachten über deutsches Recht oder Steuerrecht (BFH, Beschluss vom 11.05.1976 VII B 79/74, BFHE 119, 14, BStBl II 1976, 574).
Denn ansonsten ist ein Privatgutachten überflüssig und ist es ohnehin nach deutschem Prozessrecht grundsätzlich Sache des Gerichts, nötige Beweise zu erheben und Sachverständigen-Gutachten einzuholen, sei es auf Antrag oder - evtl. auf Anregung - von Amts wegen (§§ 81, 15, 402 ff. ZPO; Beschlüsse OLG Sachsen-Anhalt vom 30.08.2006 10 W 52/06, OLGR Naumburg 2007, 421; FG Hamburg vom 29.08.1995 VI 28/91 (II-E, EFG 1996, 34 betreffend Grundstücks-Verkehrswert).
2. Unter Umständen kann zur Wahrnehmung des Interesses am Prozesserfolg bei schwierigen Fragen und fehlender Sachkunde ein Privatgutachten für den Beteiligten erforderlich sein, wenn er sich nur so eine ausreichende Grundlage für den eigenen Vortrag, für eine Erwiderung oder für eine Auseinandersetzung mit einer bereits vorliegenden Äußerung eines Sachverständigen verschaffen kann; beispielsweise bei schwierigeren Fragen der Bewertung oder Wertentwicklung (FG München, Beschluss vom 15.04.2005 7 K 5473/02, Datev, Juris); insbesondere bei der Beurteilung der Vermögensverhältnisse oder bei der Anteils- oder Unternehmensbewertung (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.07.2007 8 W 665/07, ZEV 2007, 536, Juris Rz. 13); und zwar auch bei bis zu einem gewissen Grad vorhandenen, aber nicht hinreichend spezialisierten eigenen wirtschaftlichen Kenntnissen des Prozessbevollmächtigten (OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.08.2006 10 W 52/06, OLGR Naumburg 2007, 421), wie hier als Steuerberater.
3. Entsprechendes gilt umso mehr nach Aufforderung seitens des Prozessgegners oder erst recht des Gerichts an den Beteiligten zur weiteren Auseinandersetzung mit einem bereits vorgelegten Gutachten oder zur Einreichung eines Privatgutachtens (vgl. Beschlüsse FG Baden-Württemberg vom 20.04.2000 3 KO 11/98, Datev, Juris Rz. 32; Hessisches FG vom 14.11.1988 2 KO 332, 333/88, EFG 1989, 140; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139 FGO Rz. 26); wie hier mit dem gerichtlichen Hinweis vom 12. Dezember 2013
"Vielmehr müsste die Klägerseite konkret und objektiv nachprüfbar darlegen, warum die Unternehmensbewertung der Sozietät ... unzutreffend war ...";
zumal wenn dementsprechend nur durch ein entsprechendes Privatgutachten eine weitere inhaltliche Förderung des Prozesses zu erwarten war und nur dadurch das Gericht zur Beweisaufnahme durch gerichtliche Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens veranlasst werden konnte oder wurde (Beschlüsse Bay. VGH vom 12.11.2013 8 C 13.313; OLG Stuttgart vom 11.07.2007 8 W 665/07, ZEV 2007, 536, Juris Rz. 14 ff; BVerfG vom 12.09.2005 2 BvR 277/05; Brandt in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 139 FGO Rz. 225 Fn. 881); wie hier gemäß Aktenlage mit Beweisbeschluss vom 23. Februar 2015.
...
II.
Der Höhe nach sind die Kosten für das Privatgutachten in der mit Schriftsatz vom 18. (eingeg. 22.) Mai 2017 entsprechend § 9 JVEG i. V. m. mit Anlage 1 Nr. 6.1 neu spezifizierten Höhe begründet.
1. Dieser Betrag liegt unter dem bezahlten und ursprünglich geltend gemachten Betrag und stellt keine unzulässige Erweiterung der Erinnerung dar (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 11.07.2012 3 KO 49/12, EFG 2012, 2157).
2. Im Finanzprozess ist die Vergütung entsprechend der gesetzlichen Honorierung gerichtlich bestellter Sachverständige angemessen; und zwar bei fehlender anderer Vereinbarung der Beteiligten oder sonstiger Gesichtspunkte der Waffengleichheit mit Rücksicht darauf, dass das beklagte F...