Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Fälligstellung gestundeter Erbschaftsteuer bei vorzeitigem Nießbrauchsverzicht

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt mit Stundung der auf den Nießbrauchswert entfallenden Schenkungsteuer (§ 25 ErbStG) führt der spätere vorzeitige Nießbrauchsverzicht zur Fälligstellung der gestundeten Steuer (§25 ErbStG); er ist nicht als neue Schenkung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) zu besteuern.

 

Normenkette

ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, §§ 12, 25; BewG § 7

 

Tatbestand

Streitig ist, ob neben der Schenkung eines Wirtschaftsguts unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs auch der spätere unentgeltliche Verzicht auf den Nießbrauch eine freigebige Zuwendung des Nießbrauchsberechtigten an den Verpflichteten und somit nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz -ErbStG- steuerpflichtig ist, obwohl § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Besteuerung der vorangegangenen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ohne Abzug der Nießbrauchsbelastung vorsieht.

Der Kläger, geboren am ... 1937, ist Kommanditist von insgesamt neun Kommanditgesellschaften (Erste bis Neunte Grundstückverwaltung GmbH & Co. KG). Weitere Gesellschafter der Kommanditgesellschaften sind jeweils neben der Beteiligungsgesellschaft Grundstücksverwaltung GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin die Ehefrau und der Sohn des Klägers als Kommanditisten. Ursprünglich waren an dem Gesellschaftsvermögen der einzelnen Kommanditgesellschaften der Kläger mit 98 %, Ehefrau und Sohn mit jeweils 1 % beteiligt (Ziff. 1 des Vertrages vom 3. November 1993, Anlage K2 neue Fassung -n.F.-).

Mit notariellem Vertrag vom 3. November 1993 trat der Kläger schenkungsweise jeweils 88/98stel seiner Beteiligungen an den Kommanditgesellschaften an seinen Sohn ab. Der Kläger war infolgedessen nunmehr mit 10 %, die Ehefrau mit 1 % und der Sohn mit 89 % an den Gesellschaften beteiligt. Gleichzeitig wurden an den abgetretenen Beteiligungen ein lebenslanger Nießbrauch zu Gunsten des Klägers und ein aufschiebend bedingter lebenslanger Nießbrauch zu Gunsten der Ehefrau des Klägers bestellt. Der aufschiebend bedingte Nießbrauch zu Gunsten der Ehefrau sollte wirksam werden, wenn der Kläger vor seiner Ehefrau verstirbt. Vereinbart wurde, dass sich der Nießbrauch jeweils auf den Anteil am Ergebnis (Gewinn und Verlust) der Gesellschaften bezieht, der auf den geschenkten Teil der Beteiligungen entfällt (Ziff. 2 bis 7 des Vertrages vom 3. November 1993, Anlage K2 n.F.).

Hinsichtlich der abgetretenen Beteiligungen blieb der Kläger im Außenverhältnis weiterhin Gesellschafter und war dementsprechend weiterhin mit einer Kommanditeinlage von jeweils DM 196.000 im Handelsregister eingetragen. Mit schriftlichem Vertrag vom 19. Dezember 1995 vereinbarten der Kläger, seine Ehefrau und sein Sohn, dass der Kläger das mit den abgetretenen Beteiligungen verbundene Stimmrecht auch weiter, aber jeweils nur nach Konsultierung des Sohnes ausüben werde. Soweit durch die Beschlussfassung Rechte des Sohnes beeinträchtigt würden, könne der Kläger das Stimmrecht jeweils nur mit Zustimmung des Sohnes ausüben. Nur in Angelegenheiten, die ausschließlich die Rechte des Sohnes berührten, habe der Kläger nach den Weisungen des Sohnes abzustimmen (Anlage K3).

Mit undatiertem schriftlichen Vertrag vom 1. Januar 1998 verzichtete der Kläger schenkungsweise auf jeweils 20/88stel des zu seinen Gunsten vereinbarten Nießbrauchs an den zuvor abgetretenen Kommanditbeteiligungen. Der Nießbrauchsverzicht an den Beteiligungen der Erste und Zweite Grundstücksverwaltung GmbH & Co. KG wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1998, der Nießbrauchsverzicht an den Beteiligungen der Dritte bis Neunte Grundstücksverwaltung GmbH & Co. KG wurde mit Wirkung zum 1. Februar 1998 vereinbart. Auch die Ehefrau des Klägers verzichtete sinngemäß auf den zu ihren Gunsten aufschiebend bedingt vereinbarten Nießbrauch (Ziffer 3, 4 und 6 des Vertrages vom 1. Januar 1998, Anlage K5).

I. Verwaltungsverfahren betreffend Schenkung der Kommanditbeteiligungen

In der Schenkungsteuererklärung vom 31. Dezember 1994 teilte der Kläger gegenüber dem Beklagten (dem Finanzamt -FA-) die Abtretung der Kommanditbeteiligungen unter Nießbrauchsvorbehalt vom 3. November 1993 mit. Zudem erklärte der Kläger, die hierdurch verursachte Schenkungsteuer zu übernehmen (Schenkungsteuerakte Band I -SchSt-A I- Bl. 10 ff.) Mit Schenkungsteuerbescheid vom 27. November 1998 setzte das FA gegenüber dem Kläger für die Abtretung der Beteiligungen eine Schenkungsteuer von DM 273.462 fest. Die Festsetzung erfolgte auf der Grundlage des Erbschaftsteuergesetzes in der vor 1996 geltenden Fassung -ErbStG a.F.- und wurde folgendermaßen berechnet (SchSt-A I, Bl. 38 ff.):

1. Berechnung des steuerpflichtigen Gesamterwerbs

Das Finanzamt berechnete für die Beteiligungsabtretung nach § 10 ErbStG a.F. einen Erwerb in Höhe von DM 2.193.803. Hierzu ermittelte das FA zunächst gemäß § 10 Abs. 1 ErbStG a.F. den Wert der abgetretenen Beteiligungen (vgl. unten a) und dann den nach § 10 Abs. 2 E...

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