Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsstättenbegriff bei Schiffen im internationalen Verkehr
Leitsatz (amtlich)
§ 12 AO ist die maßgebende Vorschrift für den gewerbesteuerlichen Betriebsstättenbegriff.
Eine Geschäftseinrichtung muss einen festen Bezug zu einer bestimmten Stelle des Erdbodens haben, um "fest" zu sein und die Merkmale einer Betriebsstätte i. S. d. § 12 Satz 1 AO zu erfüllen.
Fahrende Schiffe begründen hiernach für die betreibenden Gesellschaften keine Betriebsstätte, weil es den Schiffen an einem festen Bezug zum Erdboden fehlt. Anderes folgt auch nicht aus der Vorschrift des § 9 Nr. 3 Sätze 2 bis 5 GewStG.
Normenkette
GewStG §§ 2, 9 Nr. 3; AO § 12; StAnpG § 16
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den gewerbesteuerlichen Betriebsstättenbegriff bei Handelsschiffen im internationalen Verkehr.
Die Klägerinnen sind Einschiffgesellschaften, die in der Rechtsform von Partenreedereien ihre Seeschiffe im internationalen Verkehr einsetzen, und zwar nahezu ausschließlich im Ausland. Die Geschäftsleitungen der Klägerinnen befanden sich im Streitjahr 1988 jeweils im Inland; ausländische Geschäftsstellen und dgl. wurden nicht unterhalten. Nach einer bei den Klägerinnen vom September 1993 bis Januar 1995 durchgeführten Betriebsprüfung erließ der Beklagte unter dem 22.4., 29.4. und 19.06.1997 geänderte Gewerbesteuermessbescheide, die von den Klägerinnen mit fristgerechten Einsprüchen angefochten wurden. Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidungen vom 15.04.2004 zurück. Hiergegen haben die Klägerinnen am 18.05.2004 Klage erhoben (Az. VI 163 - 165/04). Mit Verbindungsbeschluss vom 19.08.2008 wurden die nach einer beendeten Verfahrensruhe unter den Az. 6 K 102 - 104/08 neu eingetragenen Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und sind unter dem Az. 6 K 102/08 fortgeführt worden.
Die Klägerinnen tragen vor: Nach den allgemeinen Bestimmungen des Gewerbesteuergesetzes sei der Teil des Gewerbeertrags und Gewerbekapitals, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfalle, nicht gewerbesteuerpflichtig. Da die von ihnen --den Klägerinnen-- betriebenen Seeschiffe nahezu ausschließlich im Ausland eingesetzt würden, seien die auf die Auslandseinsätze entfallenden Anteile des Gewerbeertrags und -kapitals zu kürzen. Der allgemeine Betriebsstättenbegriff des § 12 AO stelle anders als der Betriebsstättenbegriff des § 16 StAnpG nicht mehr auf eine "feste örtliche Anlage", sondern nur noch auf eine "feste Geschäftseinrichtung" ab. Die Betriebsstätteneigenschaft eines Schiffes könne deshalb unter der Geltung des § 12 AO nicht (mehr) mit dem Hinweis verneint werden, dass es an einer dauernden festen Verbindung mit einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche fehle. Diesem Verständnis folge auch die Regelung des § 9 Nr. 3 Sätze 2- 5 GewStG. Zudem verursachten Einschiffgesellschaften, die allein die Geschäftsleitung als Betriebsstätte im Inland unterhielten, während das Schiff selbst nur im Ausland verkehre, im Inland keine Lasten, die nach dem gewerbesteuerlichen Äquivalenzprinzip auszugleichen wären.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 18.05.2004 verwiesen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Einspruchsentscheidungen vom 15.04.2004 und die geänderten Gewerbesteuermessbescheide vom 22.04. (Klägerin zu 2.), 29.04. (Klägerin zu 1.) und 19.06.1997 (Klägerin zu 3.) aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor: Die Vorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG stelle eine sondergesetzliche Subventionsvorschrift für Schifffahrtsunternehmen im internationalen Verkehr dar und begründe keine von dem allgemeinen Betriebsstättenbegriff des § 12 AO abweichende Betriebsstätten-Definition.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der genannten Bescheide verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet gemäß § 90a FGO durch Gerichtsbescheid.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Zu Recht ist der Beklagte davon ausgegangen, dass die Klägerinnen der Gewerbesteuerpflicht auch insoweit unterliegen, als der Gewerbeertrag auf im Ausland erbrachten Leistungen beruht.
a. Die Klägerinnen unterliegen der Gewerbesteuer, soweit der Gewerbebetrieb im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Dies ist auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zu beachten. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG wird ein Gewerbebetrieb im Inland betrieben, soweit für ihn im Inland oder auf einem in einem inländischen Schiffsregister eingetragenen Kauffahrtschiff eine Betriebsstätte unterhalten wird. Daraus folgt, dass ein Unternehmen, das nur im Inland eine Betriebsstätte unterhält, mit seiner gesamten Tätigkeit der Gewerbesteuer unterliegt, auch wenn diese im Ausland ausgeübt oder verwertet wird (vgl. BFH-Urteil vom 28. März 1985 IV R 80/82, BFHE 143, 284, BStBl II 1985, 405 m. w. N.).
b. Betriebsstätte ist gemäß der für den gewerbesteuerlichen...