Entscheidungsstichwort (Thema)
Branntweinmonopolgesetz: Entstehung einer Branntweinsteuerschuld
Leitsatz (amtlich)
1. Zu der Frage, durch welche Unregelmäßigkeit und in welchem Mitgliedsstaat eine Brandweinsteuerschuld entsteht, wenn Branntwein im Steueraussetzungsverfahren von Italien nach Deutschland transportiert, dann aber nicht bei der Ausgangszollstelle gestellt wird.
2. Zur Anwendung des § 143 BranntwMonG.
Normenkette
BranntwMonG § 143
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Branntweinsteuerfestsetzungsbescheid.
Die Klägerin ist die durch Umwandlung entstandene Gesamtrechtsnachfolgerin der Distilleria ... & Figli. Im Zeitraum zwischen dem 4.8.1994 und dem 20.4.1998 stellte die Klägerin 37 Lieferungen Alkohol, insgesamt 903.910 Liter, für angebliche Besteller in Riga (Lettland) und Tallin (Estland) her, um diese im Steueraussetzungsverfahren zu versenden. Die Transporte wurden von der Spedition ... (A), die später in die Firma ... (B) überging, in ... bei Rom durchgeführt. Für den Alkohol war jeweils ein begleitendes Verwaltungsdokument (BVD) sowie ein Versandschein T 1 bzw. T 2 von der italienischen Zollverwaltung in Udine ausgestellt worden. Aus den Transportpapieren ergab sich, dass die Ausfuhr nach Riga bzw. Tallin erfolgen sollte. Im Rahmen von zollfahndungsamtlichen Ermittlungen des ZFA Kiel stellte sich heraus, dass die Empfänger in Riga und Tallin nicht existierten, dass die 37 Lieferungen nicht über Kiel ausgeführt wurden und dass die ordnungsgemäße Erledigung aller 37 Verfahren durch Verwendung gefälschter Dienstsiegel des Beklagten vorgetäuscht worden war.
Die Alkohollieferungen wurden jeweils von dem norwegischen Staatsangehörigen ... (N) angeblich im Auftrag der Bestellerfirmen in Riga und Tallin bestellt. Dieser wiederum beauftragte den italienischen Staatsangehörigen ... (D) als Mitarbeiter der Spedition A, den Alkohol abzuholen und nach Deutschland zu transportieren. Als Zollspediteur wurde die Firma ... (E). tätig, sie füllte die Formulare aus und war für das Erbringen etwa geforderter Sicherheiten zuständig.
Mit Steuerbescheid vom 17.3.1999 nahm der Beklagte die Klägerin wegen Branntweinsteuer in Höhe von DM 3.135.352,50 in Anspruch. Er vertrat die Ansicht, die 37 Alkohollieferungen seien dem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden, da sie nicht aus dem Steuergebiet ausgeführt worden seien. Die Klägerin schulde den Abgabenbetrag gesamtschuldnerisch mit der Hauptverpflichteten, der Firma E in Udine.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 25.5.1999 Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren stellte die Klägerin zugleich einen Antrag auf Erlass gem. § 227 AO, da sie wirtschaftlich nicht in der Lage sei, die Steuerforderung zu begleichen.
Mit Steuerbescheid vom 17.1.2000 änderte der Beklagte den Bescheid vom 17.3.1999 ab und nahm die Klägerin nunmehr wegen Branntweinsteuer in Höhe von DM 23.049.705,00 in Anspruch. Die Änderung wurde damit begründet, dass der Beklagte ursprünglich von der einjährigen Festsetzungsverjährungsfrist des § 169 Abs. 2 Ziff. 1 AO ausgegangen sei, tatsächlich betrage die Festsetzungsfrist jedoch wegen des Hinterziehungstatbestandes gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre. Da die Erledigungsbestätigungen mit gefälschten Stempelabdrucken einer deutschen Zollstelle versehen gewesen seien, spreche eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Alkoholsendungen dem Steueraussetzungsverfahren in Deutschland entzogen worden seien. Wegen der einzelnen Branntweinsendungen und der Berechnung im Einzelnen wird auf diesen Bescheid verwiesen.
Mit Bescheid vom 14.3.2001, zugestellt am 19.3.2001, wies der Beklagte den Einspruch zurück. Die Klägerin könne den Nachweis der Ausfuhr aus dem Bundesgebiet nicht führen, da die Bestätigung der Ausfuhr auf den den Sendungen beigefügten Begleitdokumenten gefälscht sei. Auch anzuerkennende Ersatzpapiere zum Beleg der Ausfuhr habe sie nicht vorlegen können. Daher sei die Branntweinsteuerschuld nach § 143 Abs. 1 i.V.m. § 142 BranntwMonG entstanden. Da die Zuwiderhandlungen in Deutschland begangen worden seien, sei Deutschland auch gem. Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 92/12 EWG des Rates v. 25.2.1992 zuständig. Der Norweger N sei verdächtig, den Alkohol nach Norwegen eingeschmuggelt zu haben. Die Ermittlungen seien jedoch noch nicht abgeschlossen. Daher bestehe z.Zt. keine Möglichkeit, Herrn N in Anspruch zu nehmen. Die Inanspruchnahme der Klägerin und der Firma E sei im Interesse der sicheren Erhebung der Steuerschuld ermessensfehlerfrei. Es greife auch die verlängerte Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO, da die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass sie durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt habe, und dass die Tat nicht darauf beruhe, dass sie die erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen habe. Sie hätte die ordnungsgemäße Lieferung an die ihr nicht bekannten Firmen in Riga und Tallin in Frage stellen müssen; auf die entsprechende Frage ob ihm ein Verdacht gekommen sei, habe der Geschäfts...