Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabenordnung: Erlass von Einkommensteuer - Berücksichtigung von Aufwendungen durch die Fortführung früherer pastoraler Tätigkeiten eines Pastors im Ruhestand
Leitsatz (amtlich)
Es liegt grundsätzlich keine sachliche Unbilligkeit im Sinne von § 227 AO vor, wenn Pastoren im Ruhestand Aufwendungen durch die Fortführung früherer pastoraler Tätigkeiten entstehen, die mangels Veranlassungszusammenhangs nicht als Werbungskosten bei den Einkünften als nichtselbständiger Arbeit in Form von Versorgungsbezügen anerkannt werden können.
Normenkette
AO § 227; EStG § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 S. 1, §§ 12, 19; PfG § 4 Abs. 1-2, § 109
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen teilweisen Erlass von Einkommensteuer.
Der Kläger zu 1) ist Pastor im Bereich der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland und wurde mit Wirkung zum ... 2006 in den Ruhestand versetzt. In der Urkunde vom ... 2006 heißt es: "Mit dem Beginn des Ruhestandes ist ... A ... unter Aufrechterhaltung seines Dienstverhältnisses auf Lebenszeit ... der Pflicht zur Dienstleistung enthoben. Auftrag und Recht zur öffentlichen Wortverkündigung und zur Sakramentsverwaltung werden durch die Zurruhesetzung nicht berührt." Im Streitjahr 2008 bezog der Kläger zu 1) als Pastor im Ruhestand Versorgungsbezüge.
Die Kläger wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger zu 1) machte in der Einkommensteuererklärung 2008 im Rahmen der erklärten Versorgungsbezüge Werbungskosten in Höhe von 4.871 € geltend. Darin enthalten waren Aufwendungen für ein Arbeitszimmer in Höhe von 2.099 €, Reisekosten in Höhe von 836 € und übrigen Kosten für Bücher, Büromaterial und Geschenke. Mit Einkommensteuerbescheid 2008 vom 30. März 2010 berücksichtigte der Beklagte neben einem Versorgungsfreibetrag in Höhe von 3.744 € den Werbungskostenpauschbetrag für Versorgungsbezüge in Höhe von 102 €. Die weitergehenden Aufwendungen wurden mit der Begründung nicht anerkannt, dass ein Werbungskostenabzug für einen pensionierten Pastor nicht in Betracht komme. Das dagegen von den Klägern angestrengte Rechtsbehelfsverfahren blieb erfolglos. Das Gericht wies die Klage gegen den zwischenzeitlich aus anderen Gründen geänderten Einkommensteuerbescheid 2008 vom 27. April 2012 mit rechtskräftigem Urteil vom 13. Februar 2013 (5 K 50/11) als unbegründet ab. Es fehle an dem erforderlichen Veranlassungszusammenhang der geltend gemachten Aufwendungen mit der Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen.
Die Kläger stellten daraufhin beim Beklagten einen Antrag auf abweichende Festsetzung der Einkommensteuer 2008 aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO), der mit Bescheid vom 18. Juli 2013 abgelehnt wurde. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde vom Beklagten mit Entscheidung vom 26. März 2014 als unbegründet zurückgewiesen. Die Kläger erhoben dagegen Klage (2 K 123/14), die sie nach einem gerichtlichen Hinweis zurücknahmen. Das Verfahren 2 K 123/14 wurde daraufhin mit Beschluss vom 19. Januar 2015 eingestellt.
Am 17. Januar 2015 stellten die Kläger beim Beklagten den Antrag, die Einkommensteuer 2008 gemäß § 227 AO zum Teil zu erlassen. Materiell-rechtlich werde insoweit auf die Begründung des Antrags auf abweichende Steuerfestsetzung gemäß § 163 AO verwiesen. Die Erhebung der Steuern sei insofern unbillig, als die Tätigkeiten eines evangelischen Pastors im Ruhestand aufgrund der kirchenrechtlichen Verpflichtungen eine andere Qualität als ein freiwilliges Engagement besäßen. Der Kläger zu 1) reichte dem Beklagten dazu eine Liste der von ihm im Jahr 2008 als Pastor im Ruhestand wahrgenommenen Termine nebst Fahrtenbüchern und einem Kalender ein. Ferner legte er eine Bescheinigung des Landeskirchenamtes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland vom 29. Juni 2015 vor. Darin wird dem Kläger zu 1) bestätigt, dass die Tätigkeiten, die er z. B. 2008 im Zusammenhang mit der von ihm geleiteten Gemeindereise nach B ausgeübt habe, dienstlichen Charakter hätten. Pastorinnen und Pastoren seien auch im Ruhestand berechtigt, pastorale Dienste auszuüben. Die Durchführung einer Gemeindereise mit vornehmlich ... Menschen sei ein solcher Dienst, der praktisch in Folge des früheren aktiven Dienstverhältnisses ausgeübt werde. Der Kläger erläuterte die Aufstellung seiner Tätigkeiten im Jahr 2008 ferner dahingehend, dass alle pastoralen Tätigkeiten gewollt seien. Er werde entweder direkt von Gemeindemitgliedern gefragt oder von Kolleginnen und Kollegen. In der staatlichen Kindertagesstätte C sei ihm lange vor Beginn seines Ruhestandes signalisiert worden, dort auch nach seinem Ruhestand eine offene Tür zu haben.
Der Beklagte lehnte den Erlassantrag mit Bescheid vom 16. Juli 2015 ab.
Die Kläger legten dagegen am 17. August 2015 Einspruch ein. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, dass der Bundesfinanzhof (BFH) auf die Möglichkeit einer abweichenden Festsetzung aus Billigkeitsgründen für den Fall hingewiesen habe, dass im Zusammenhang mit fortgesetzter Lehrtätigk...