Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH V B 70/16)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Umsatzsteuerfreiheit von Behandlungsleistungen nach der Tomatis-Therapie - keine Bindung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben
Leitsatz (amtlich)
1. Die Umsätze aus therapeutischen Maßnahmen unter Anwendung der Tomatis-Methode sind nicht als ähnliche heilberufliche Tätigkeit gemäß § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei.
2. Für den nach § 4 Nr. 14 UStG erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweis aus einer "regelmäßigen" Kostentragung der Sozialversicherungsträger reicht es nicht aus, dass einzelne gesetzliche Krankenkassen wiederholt die Kosten für eine Tomatis-Therapie übernommen haben. Ebenso wenig ist es für den erforderlichen Befähigungsnachweis von Bedeutung, dass die Tätigkeit des Klägers ertragsteuerlich als ähnlicher Beruf im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG anerkannt worden ist.
3. Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es nicht, auf Grund der rechtlichen Einordnung der therapeutischen Leistungen in der Vergangenheit als umsatzsteuerfrei, diese auch in zukünftigen Veranlagungszeiträumen als steuerfrei im Sinne von § 4 Nr. 14 UStG zu behandeln.
Normenkette
AO § 171 Abs. 4; UStG § 4 Nr. 14; MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. c
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 28.08.2017; Aktenzeichen V B 70/16) |
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Umsatzsteuer auf die in den Jahren 2006 bis 2008 erbrachten Behandlungsleistungen nach der Tomatis-Methode.
Der Kläger betreibt seit ... ein Institut für Audio-Psycho-Phonologie (Tomatis-Institut). Er behandelt Menschen mit Hör- und Wahrnehmungsstörungen nach der Tomatis-Methode, einer Methode, die der HNO-Arzt und Chirurg Dr. med. Alfred Tomatis in den fünfziger Jahren begründet hat. Der Kläger nahm in den Jahren 19... bis 19... an verschiedenen Kursen am Tomatis-Institut in ... teil und war von 19... bis 19... teilzeitbeschäftigter Assistent von Dr. med Alfred Tomatis.
Bei den Patienten des Klägers handelt es sich zu einem großen Teil um Kinder, aber auch um Erwachsene mit Hörstörungen, beispielsweise nach einem Hörsturz. Die Patienten kommen nach Angaben des Klägers überwiegend nach ärztlicher Empfehlung. Über seine Leistungen erteilte er den Patienten eine Rechnung ohne Ausweis von Umsatzsteuer; eine Abrechnung gegenüber Krankenversicherungsträgern erfolgte nur im seltenen Ausnahmefall, dass eine vorherige Kostenübernahmeerklärung abgegeben wurde.
Ab dem ... 2008 bis Ende 2011 betrieb der Kläger das Institut zusammen mit einem Partner in der Form einer Partnergesellschaft, an der er zu 90 % beteiligt war. Daneben erzielte er in 2008 auch noch Umsätze als Einzelunternehmer aus nachträglich erstellten Rechnungen für Leistungen aus dem Vorjahr und soweit die Patienten darauf bestanden hatten, dass ein Behandlungsvertrag nur mit dem Kläger bestehe. Ab 2012 ist er wieder alleiniger Inhaber.
1999 hatte der Kläger gerichtlichen Rechtsschutz zur Klärung der Art seiner Einkünfte in Anspruch genommen (Finanzgericht - FG Hamburg, Urteil vom 14.09.2000, I 497/99, anschließend Bundesfinanzhof - BFH-Urteil vom 28.08.2003 IV R 69/00). Im zweiten Rechtsgang verständigten sich die Beteiligten in einem Erörterungstermin am 17.01.2005 dahingehend, dass die Tätigkeit des Klägers als freiberuflich im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einzuordnen sei (FG Hamburg I 12/04). Das Protokoll über den Erörterungstermin am 17.01.2005 enthält nur Ausführungen zur Gewerbesteuer 1994. Im Einzelnen heißt es:
"Die Vorsitzende weist darauf hin, dass nach ihren Vorstellungen die Anforderungen, die der BFH entwickelt hat, erfüllt sein dürften. Sie rät der Beklagtenvertreterin, den in diesem Rechtsstreit angefochtenen Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer für 1994 aufzuheben und entsprechend für die Folgejahre zu verfahren."
In dem Termin ist nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten jedoch auch über die umsatzsteuerliche Behandlung der Einkünfte gesprochen worden. Die handschriftliche Notiz des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers enthält folgende Angaben:
"1998 |
USt ? |
+ |
1999 |
USt zurück |
+ |
2000 |
nichts |
|
2001-2004 |
Protokoll" |
In der Folge hob der Beklagte den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer 1994 auf und behandelte die Einkünfte des Klägers ertragsteuerlich auch für die Zukunft als solche aus freiberuflicher Tätigkeit. Darüber hinaus half der Beklagte den Einsprüchen des Klägers gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1998 bis 2002 ab und behandelte die Leistungen als umsatzsteuerfrei. Die Umsatzsteueranmeldungen für 2003 bis 2005, mit denen der Kläger überwiegend steuerfreie Umsätze anmeldete, beanstandete der Beklagte nicht.
In 2013 führte der Beklagte bei dem Kläger für die Streitjahre 2006 bis 2008 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Der mit Prüfungsanordnung vom 03.12.2012 für den 17.12.2012 geplante Prüfungsbeginn wurde auf Antrag des Klägers vom 10.12.2012 auf den 04.02.2013 verschoben. Die Betriebspr...