Entscheidungsstichwort (Thema)
Restitutionsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff "Urkunde" im Sinne des § 580 Nr. 7 b ZPO
Normenkette
ZPO § 580 Nr. 7b
Tatbestand
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Polen. Mit Steuer- und Zinsbescheid vom 10.05.2005 nahm das beklagte Hauptzollamt den Kläger auf Zahlung von Einfuhrabgaben (Zoll, Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer) sowie Zinsen in Höhe von insgesamt € 24.587.740,55 in Anspruch. In der Begründung des Bescheids heißt es u.a., dass sich der Kläger nach den Ermittlungen des Zollfahndungsamtes der gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Steuerhinterziehung in mindestens 60 Fällen in der Zeit vom 18.09.2001 bis 23.06.2003 schuldig gemacht habe, indem er gemeinschaftlich mit weiteren, gesondert verfolgten Personen handelnd unverzollte und unversteuerte Zigaretten aus Polen in das Zollgebiet der Gemeinschaft geschmuggelt habe, um diese über Deutschland nach Großbritannien weiterzutransportieren und dort abzusetzen.
Der Steuer- und Zinsbescheid vom 10.05.2005 wurde dem Kläger am 31.08.2005 durch die polnischen Finanzbehörden bekannt gegeben. Der Kläger erhob gegen den Steuer- und Zinsbescheid am 11.10.2005 Einspruch, den das beklagte Hauptzollamt mit Einspruchsentscheidung vom 04.07.2006 wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig verwarf. Der Kläger erhob gegen die Einspruchsentscheidung vom 04.07.2006 in der Folgezeit keine Anfechtungsklage.
Am 04.09.2007 erhob der Kläger allerdings eine auf Feststellung der Nichtigkeit des Steuer- und Zinsbescheides vom 10.05.2005 gerichtete Klage, der das Finanzgericht mit Urteil vom 28.02.2008 (4 K 307/07) stattgab. Auf die vom beklagten Hauptzollamt gegen das finanzgerichtliche Urteil eingelegte Revision hob der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 17.03.2009 (VII R 40/08) das Urteil des Finanzgerichts vom 28.02.2008 (4 K 307/07) auf und wies die Klage ab.
Der Kläger hat am 19.06.2009 unter Hinweis auf § 134 FGO i. V. m. § 580 Nr. 7 b ZPO Restitutionsklage erhoben. Zur Begründung hat der Kläger eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft A vom 25.05.2009 sowie zwei Vermerke der Staatsanwaltschaft A aus dem März 2008 eingereicht, die ihm die Staatsanwaltschaft A am 25.05.2009 zugesandt hatte. In diesen Vermerken stellt die Staatsanwaltschaft A in Bezug auf den Kläger fest, dass die Ermittlungsergebnisse des Zollfahndungsamtes ausschließlich auf unverwertbaren Telefonüberwachungsmaßnahmen beruhten mit der Folge, dass das gegenüber dem Kläger eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachtes gemäß § 170 Abs. 2 StPO einzustellen sei. Mit Blick auf diese Einschätzung der Staatsanwaltschaft A meint der Kläger, dass auch der Steuer- und Zinsbescheid vom 10.05.2005 auf unverwertbaren Erkenntnissen beruhe und deshalb nichtig sei. Da jedenfalls die Vermerke der Staatsanwaltschaft A im März 2008 bereits vorhanden gewesen seien, hätte er diese Urkunden in den Vorprozess einführen und verwenden können. Die erhobene Restitutionsklage rechtfertige sich vor dem Hintergrund, dass er von der Existenz dieser Beweismittel erst nach Abschluss des Vorprozesses erfahren habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17.03.2009 (VII R 40/08) aufzuheben und festzustellen, dass der Steuer- und Zinsbescheid vom 10.05.2005 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 04.07.2006 nichtig ist.
Das beklagte Hauptzollamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Es ist der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Restitutionsklage nach § 580 Nr. 7 b ZPO seien nicht erfüllt. Außerdem äußert es Zweifel hinsichtlich der Zuständigkeit des Finanzgerichts. Da der Kläger die Aufhebung eines Urteils des Bundesfinanzhofs begehre, sei für die erhobene Restitutionsklage gemäß § 134 FGO i. V. m. § 584 ZPO der Bundesfinanzhof zuständig.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 4 V 182/09 und 4 K 181/09 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
Die erhobene Restitutionsklage ist unzulässig.
Allerdings ist das Finanzgericht für das vom Kläger begehrte Restitutionsverfahren zuständig. Gemäß § 134 FGO i. V. m. § 584 ZPO ist nämlich für eine Klage auf Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens nur dann eine Zuständigkeit des Revisionsgerichts gegeben, wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil aufgrund der §§ 579, 580 Nr. 4, 5 ZPO angefochten wird (vgl. BFH, Beschluss vom 26.06.2003, III K 1/03, BFH/NV 2003, 1436). In den Fällen des - wie hier - § 580 Nr. 7 ZPO ist für die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht der Bundesfinanzhof, sondern das Finanzgericht zuständig.
Die vom Kläger erhobene Restitutionsklage ist indes nicht statthaft. Denn der Kläger hat keinen Restitutionsgrund schlüssig dargelegt.
Gemäß § 134 FGO i. V. m. § 580 Nr. 7 b...