Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuerrecht, Abgabenordnung: Gestaltungsmissbrauch bei der Aufgabe eines dinglichen Wohnrechts und gleichzeitiger Begründung einer dauernden Last und Abschluss eines Mietvertrags
Leitsatz (amtlich)
Eine Vertragskonstruktion, mit der die Mutter ein dingliches Wohnrecht an einem Wohnungseigentum ohne wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen nichtsteuerlichen Grund aufgibt gegen Zahlung einer dauernden Last, die niedriger ist als die künftig zu zahlende Wohnraummiete, ist missbräuchlich im Sinne des § 42 AO. Dass die Mutter als Mieterin - anders als als Wohnberechtigte - Ansprüche im Hinblick auf die Erhaltung der Mietsache hat, ist unbeachtlich, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass diese Ansprüche tatsächlich nicht geltend gemacht werden sollen.
Normenkette
EStG §§ 9, 21; AO § 42
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die steuerliche Anerkennung eines Mietverhältnisses des Klägers mit seiner Mutter, Frau F.
Die Eltern des Klägers waren je zur ideellen Hälfte Eigentümer eines von ihnen bewohnten Wohnungseigentums, das aus einem Miteigentumsanteil von 1/2 an einem Grundstück und dem Sondereigentum an einem aufstehenden Einfamilienhaus (Wohnfläche ca. 65 qm) bestand. Ein anderes auf diesem Grundstück belegenes Haus bewohnen die Kläger.
Der Kläger und sein Bruder B, die zusammen mit ihrer Mutter den Vater beerbt hatten, schlossen am 13.9.1993 mit ihrer Mutter einen notariellen Erbauseinandersetzungs- und Überlassungsvertrag, aufgrund dessen der Kläger alleiniger Eigentümer des zunächst den Eltern gehörenden Wohnungseigentums geworden ist. Als Gegenleistung verpflichtete er sich zum einen zur Zahlung einer Abfindung an den Bruder. Zum anderen räumte er der Mutter ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht an allen Räumen des Hauses ein. Weiter heißt es in dem Vertrag in § 2 Ziffer 4:
"Die Erschienene zu 1) beabsichtigt, u.U., die sie selbst entscheidet, in eine Altenwohnanlage zu ziehen und hiergegen das vorstehend näher beschriebene Wohnungsrecht aufzugeben. In diesem Fall soll sich das Recht auf Nutzung der Wohnung umwandeln in eine monatliche Rentenzahlungsverpflichtung in Höhe von DM 300 monatlich, beginnend von dem Verzicht auf das Wohnungsrecht an." Die Rente sollte wertgesichert sein.
Am 14.9.1998 schloss der Kläger mit seiner inzwischen 84jährigen, stark sehbehinderten Mutter einen weiteren notariellen Vertrag, in dem sie unter Bezugnahme auf den zitierten Passus des Vertrags von 1993 ihr Wohnungsrecht gegen Zahlung einer wertgesicherten monatlichen Rente von DM 300 aufgab, die der Kläger als Reallast eintragen ließ. In dem Vertrag heißt es weiter, dass beide bis zum Umzug der Mutter in die Altenwohnanlage einen Mietvertrag schließen werden.
Spätestens im Jahr 1998 hatte allerdings die Mutter ihr Vorhaben, einmal in ein Altenheim zu ziehen, aufgegeben. Sie war so gebrechlich geworden und ihr Sehvermögen hatte derart nachgelassen, dass sie es sich nicht mehr zutraute, in einer neuen Umgebung heimisch zu werden. In dem Haus, in dem sie seit vielen Jahrzehnten wohnte, konnte sie sich hingegen blind bewegen. Am 23.9.1998 unterzeichneten der Kläger und seine Mutter auf der Grundlage eines Formulars "Hamburger Mietvertrag für Wohnraum" einen Mietvertrag, in dem sich die Mutter zur Zahlung einer Nettokaltmiete von DM 390 monatlich sowie einer Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung von monatlich DM 330 verpflichtete. Im Zusatz zu § 20 des Mietvertrags wurde vereinbart, dass der Kläger als Vermieter die notwendigen Erhaltungs-, Modernisierungs- und Schönheitsreparaturen trägt.
Der Kläger führte folgende Maßnahmen an dem Haus durch:
- Anbringung von Geländern in Küche und Flurbereich, damit sich die Mutter abstützen konnte, wenn sie für eine Verrichtung ihren Gehwagen loslassen musste;
- Verlegung des Telefonanschlusses, um die sichere Funktion des Notrufsenders der Mutter zu ermöglichen;
- Entfernung der stolperträchtigen Kellerluke im Flurbereich; stattdessen Schaffung eines Außenzugangs zum Keller mit einem neuen, unter der Terrasse angelegten Kellerraum.
- Verbesserung der Hauszuwegung.
Noch im Jahr 1998 ließ sich der Kläger von einem Bauingenieur zwei Vorentwürfe für den Aus- und Umbau des Hauses fertigen, nach denen sich die Wohnfläche des Hauses mehr als verdoppeln sollte. Mit Ausnahme der genannten Baumaßnahme im Kellerbereich sind die Umbaupläne des Klägers jedoch erst nach Auszug der Mutter ausgeführt worden, die inzwischen vollständig erblindet im September 2002 in ein Pflegeheim gezogen ist.
Der Kläger und seine Ehefrau, die Klägerin, machten in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1998 einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von DM 10.374 geltend. Die Werbungskosten setzten sich zusammen aus Kosten für Pflasterarbeiten sowie zeitanteilige Schuldzinsen, Betriebskosten, Ertragsanteil der Leibrente, Abschreibung, Kosten für die Löschung der Reallast und Notarkosten.
Der Beklagte berücksichtigte den Verlust in dem Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 13.9.1...