Revision eingelegt (BFH III R 42/22)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für ein behindertes Kind, welches in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist
Leitsatz (amtlich)
Ein Kind, das an einer psychischen Erkrankung leidet, deretwegen ein Grad der Behinderung von 80 mit dem Merkmal "H" (Hilflos) festgestellt ist, und das wegen im Zustand der Schuldunfähigkeit begangener rechtswidriger Taten nach § 63 StGB (einstweilen) in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist, ist i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG gerade wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob ein behindertes Kind, das aufgrund seiner Behinderung rechtswidrige Taten ohne Schuld begangen hat und wegen dieser zunächst einstweilen und im Anschluss aufgrund eines Gerichtsurteils in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist, wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
Die Klägerin ist die Mutter von A (geb. XX. Juli 1999). Dieser leidet seit etwa seinem 14. Lebensjahr an einer hebephrenen Schizophrenie (F 20.1). Dies äußerte sich bei A durch expansiv-aggressives Verhalten mit Weglauftendenzen, Grenzüberschreitung, Sexualisierung, manische Zustände mit Selbstüberschätzung, Abwertung anderer, körperliche Übergriffe und zudem eigengefährdende Handlungen. Die Schule besuchte A seit Herbst 2014 nicht mehr. In den Jahren 2014 bis Frühjahr 2016 befand sich A mehrfach in stationärer Behandlung, wohnte aber in den Zeiten zwischen den stationären Aufenthalten noch im Elternhaus. Medikamentöse Behandlungen und stationäre Aufenthalte verbesserten seinen Zustand nicht nachhaltig.
Nachdem A Anfang 2016 gegenüber seiner fünf Jahre jüngeren Schwester (damals 12 Jahre alt) sexuell übergriffig geworden war, wurde die Suche nach einer geeigneten Wohnform für A intensiviert. Sie blieb aber erfolglos - auch, weil A bei einem "Probewohnen" in der Wohneinrichtung "B" (eine Jugendwohnung für psychisch erkrankte Jugendliche) bei einem Spaziergang eine Mitarbeiterin der "B" zunächst an die Brust gefasst und sie schließlich (kurze Zeit) mit einem Schal gewürgt hatte.
A befand sich von Mai 2016 bis Oktober 2016 aufgrund familiengerichtlicher einstweiliger Anordnungen in stationärer Behandlung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums C (Klinikum C). Mit Bescheid vom XX. XX 2016 stellte die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration fest, dass wegen der psychischen Erkrankung As Grad der Behinderung 80 beträgt und er außerdem die Voraussetzung für das gesundheitliche Merkmal "H" für Hilflosigkeit erfüllt. Vom XX. November 2016 bis XX. Februar 2017 war A im Rahmen einer jugendhilferechtlichen Einzelfallmaßnahme in einer Jugendeinrichtung untergebracht. Während des Aufenthaltes im Klinikum C und in der Jugendeinrichtung beging A vier rechtswidrige Körperverletzungen:
Am XX. August 2016 war A nach einem Konflikt mit einem Mitpatienten des Klinikums C veranlasst worden, sich in seinem Zimmer aufzuhalten. Damit war er nicht einverstanden und rannte schließlich über den gesamten Stationsflur bis zum Dienstzimmer zu der Krankenschwester M. Diese schaffte es nicht mehr rechtzeitig, die Tür zum Dienstzimmer zu schließen. A stellte einen Fuß in die Tür, trat die Tür auf und stieß die Krankenschwester M mit einem Fausthieb zur Seite. A stürmte sogleich auf die am vorherigen Konflikt unbeteiligte FSJ-lerin D zu und versetzte dieser einen gezielten Faustschlag ins Gesicht. Die Krankenschwester M erlitt eine Gesichtsprellung mit Hämatom unterhalb des linken Auges, die FSJ-lerin D eine Jochbeinprellung und eine Schwellung der linken Gesichtshälfte.
Am 29. September 2016 versetzte A der Krankenschwester R einen Fausthieb in das Gesicht, woraufhin diese eine Nasenprellung und Nasenbluten erlitt. Vor dem Fausthieb hatte es eine Auseinandersetzung darüber gegeben, ob A sich an einem Monopoly-Spiel beteiligen könne, obwohl seine Musiktherapie unmittelbar bevorstand.
Am 3. Februar 2017 begab sich A in der Jugendeinrichtung zu einer Gemeinschaftsküche. Dort befand sich die Betreuerin V. Kurz vor Erreichen der Gemeinschaftsküche forderte die Betreuerin V A auf, er solle in sein Appartement zurückgehen. A ging zunächst in Richtung seines Appartements. Als er in der Tür war, wollte die Betreuerin V die Tür schließen. A stemmte sich gegen die Tür, drängte auf die Betreuerin V zu, ergriff ihre Haare und zog zunächst heftig an ihren Haaren, versetzte ihr sodann einen Fausthieb in das Gesicht und mehrere Fußtritte gegen die Beine. Erst bei Hinzukommen weiterer Mitarbeiter konnte A von der Betreuerin V getrennt werden. Diese erlitt eine HWS-Distorsion und mehrere Prellungen.
Nach diesem Vorfall beruhigte der Betreuer G, zu dem A ein vertrauensvolles Verhältnis hatte, A und gemeinsam spielten sie in As Appartement ein Gesellschaf...